Mönchengladbach Immer mehr Armenbegräbnisse

Mönchengladbach · Wenn Verstorbene keine Angehörigen mehr haben oder diese die Beerdigung nicht bezahlen können, muss Ordnungs- oder Sozialamt eingreifen. Das ist immer häufiger der Fall – nicht unbedingt zur Freude der Bestatter.

Wenn Verstorbene keine Angehörigen mehr haben oder diese die Beerdigung nicht bezahlen können, muss Ordnungs- oder Sozialamt eingreifen. Das ist immer häufiger der Fall — nicht unbedingt zur Freude der Bestatter.

Der Fall war besonders eklatant, aber exemplarisch für eine generelle Entwicklung: Vier Wochen lang lag ein 74-jähriger Mönchengladbacher Ende 2009 im Kühlraum eines Bestatters, bis schließlich das Ordnungsamt das Begräbnis verfügte — zur "Gefahrenabwehr". Hintergrund: Die 81-jährige Witwe, nach eigenen Angaben mittellos, hatte beim Sozialamt die Übernahme der Beerdigungskosten beantragt. Es fehlten jedoch Unterlagen, das Amt konnte die Mittellosigkeit nicht prüfen. Kein Einzelfall. Die Menschen werden immer älter, dabei nicht unbedingt wohlhabender, familiäre Bindungen schwinden. Die Folge: Immer häufiger müssen sich entweder das Ordnungsamt (zumeist dann, wenn der Verstorbene keine Angehörigen hat) oder der Fachbereich Soziales und Wohnen (wenn die Angehörigen nicht für die Kosten aufkommen können und der Nachlass nicht ausreicht) um die Bestattung kümmern. Sozialbestattung heißt letztere Variante im offiziellen Sprachgebrauch, "Armenbegräbnis" ist wohl geläufiger. Bundesweit stieg ihre Zahl in den letzten vier Jahren um 38 Prozent.

Sterbegeld fiel 2004 weg

177 Bestattungen ordnete das Ordnungsamt 2010 an, 2002 waren es noch rund 100 gewesen. Stadtsprecher Walter Schröders spricht von einem "deutlichen Anstieg" über die Jahre. Seitdem 2004 das Sterbegeld aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen wurde, sei auch beim Amt für Altenhilfe die Zahl der Anträge auf Übernahme der Bestattungskosten gestiegen, sagt Willi Houben, Leiter des Fachbereichs Soziales und Wohnen. Demnach wurden 2007 etwa 143 Anträge gestellt, 2009 bereits 162. Im laufenden Jahr seien es bisher 106. Die Kunden bei den Antragstellern seien gemischt, sagt Houben: "Sterbegeldversicherungen sind oft nicht oder nicht in ausreichender Höhe vorhanden. Am ehesten haben die ,Normalverdiener' in irgendeiner Form für sich selbst vorgesorgt, meist mit kapitalbildenden Versicherungen." Für eine entsprechende Vorsorge plädiert auch Axel Weber, Vorsitzender des Stadtverbands der Bestatter.

Denn oftmals seien es die Bestatter, die ein Minusgeschäft machten. Im Schnitt kostet eine Sozialbestattung 3300 Euro. Darin sind sowohl die Beisetzungsgebühren als auch die Pauschale von 876 Euro enthalten, die das Sozialamt an den Bestatter überweist. Eventuelle Kürzungen beim Eigenanteil der Bestattungspflichtigen hängen von deren Einkommen ab. "Und gemindert wird dann in der Regel nicht etwa bei den Gebühren für die Friedhofsverwaltung, sondern bei dem Anteil, der an uns gehen soll", sagt Weber. "Das ist nicht zufriedenstellend." Zudem lägen Ordnungs- und Sozialamt regelmäßig "im Clinch", es dauere oft zwei Monate und länger, bis Kosten beglichen würden. Wird ein Antrag auf Kostenübernahme seitens des Sozialamts abgelehnt, "kommt es immer wieder zu Fällen, die wir abschreiben müssen", so Weber — nachdem die Bestatter in Vorleistung gegangen waren. Dennoch könnten sie es sich kaum leisten, Kunden abzulehnen — aus Gründen der Pietät, und weil zu den Familien oft uralte Bindungen bestehen.

(RP)
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