Dr. Christof Wellens Nach der Schockstarre kommt der Alltag

Mönchengladbach · Dr. Christof Wellens ist Vorsitzender des Vereins Crash, der von Mönchengladbach aus Opfer von Unglücksfällen finanziell unterstützt und deren rechtliche Betreuung organisiert. Nach dem Flugzeugabsturz sagt er, was für die Familien wichtig ist.

Germanwings: Die Unglücksstelle am Tag nach dem A320-Absturz
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Die Unglücksstelle am Tag nach dem Absturz

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Foto: dpa, sh

Herr Wellens, was war Ihr erster Gedanke nachdem Sie von dem Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich gehört haben?

Dr. Christof Wellens Meine Gedanken sind natürlich bei den Opfern und deren Angehörigen. Aber ich weiß auch, dass es nicht hilft, nur zu verdrängen. Irgendwann muss der Alltag der Angehörigen wieder organisiert werden.

Dann geht es häufig um die Frage: Wo kommt zukünftig das Geld her?

Wellens Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Haupternährer der Familie verstirbt. Wir haben seit gestern mehrere Kinder zu betreuen, die ihre Eltern bei dem Absturz verloren haben. Für die stellt sich schon sehr bald, nämlich spätestens zu Anfang des nächsten Monats die Frage: Wie zahlen wir jetzt die Miete?

Helfen Sie den Angehörigen auch, an die Unfallstelle zu kommen?

Wellens Das ist natürlich nicht unsere erste Aufgabe. Aber wir können Kontakte vermitteln, die sich dann darum kümmern.

Kommen die Angehörigen von Unglücksopfern normalerweise auf den Verein zu oder umgekehrt?

Wellens Unser Verein ist mittlerweile zum Glück ziemlich bekannt, so dass wir sofort angesprochen wurden, ob wir helfen können. Und das können wir sofort.

Woher kommt denn das Geld des Vereins?

Wellens Wir haben einen großen finanziellen Grundstock, der noch aus Spenden der Angehörigen des Concorde-Absturzes 2000 stammt. Die haben damals großzügig aus ihren Entschädigungszahlungen gespendet. Im Laufe der Jahre sind weitere Spenden hinzugekommen.

Was kommt denn nach der ersten finanziellen Absicherung durch den Verein?

Wellens Wir können dann auf Wunsch der Angehörigen auch die rechtliche Betreuung organisieren und den Angehörigen helfen, angemessene Entschädigungszahlungen zu erhalten.

Hat sich in diesem Bereich seit dem Concorde-Absturz etwas getan? Gibt es neue Gesetze?

Wellens Nein, die rechtliche Lage ist noch genau dieselbe wie damals. Die Zahlungen sind immer noch völlig unzureichend. Nach dem Concorde-Absturz haben wir rund ein Jahr prozessiert, das ist eigentlich sehr wenig. Manche Fälle sind auch nach zehn Jahren noch nicht abgewickelt.

Rechnen Sie damit, dass sich jetzt noch mehr Angehörige bei Ihnen melden?

Wellens Davon gehe ich aus. Wenn sich die erste Schockstarre gelöst hat, müssen alle Angehörigen ihren Alltag organisieren. Das überfordert die Angehörigen jedoch in der jetzigen Situation und deshalb brauchen sie unsere Hilfe.

Das heißt, auf Sie kommt eine stressige Zeit zu?

Wellens Ja, diesen Stress kenne ich ja schon aus der Vergangenheit. Doch unsere Erfahrung kann uns auch viele unnötige Schritte ersparen.

Ist Crash der einzige Verein in Deutschland, der die Angehörigen solcher Katastrophen betreut?

Wellens Meines Wissens, ja. Wir sind auch die einzigen, die über wesentliche finanzielle Mittel verfügen können.

LAURA SCHAMEITAT FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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