Opladen Kusshändchen statt Tomaten

Opladen · "Wenn ich diese Musik höre, weckt das Erinnerungen", sagt Helga Schmidt. "Schöne Erinnerungen – das tut der Seele gut." Die Schlebuscherin war mit acht Freunden in die Stadthalle gekommen, um dort Bill Haley‘s Original Comets – letztmals – zu hören.

"Wenn ich diese Musik höre, weckt das Erinnerungen", sagt Helga Schmidt. "Schöne Erinnerungen — das tut der Seele gut." Die Schlebuscherin war mit acht Freunden in die Stadthalle gekommen, um dort Bill Haley‘s Original Comets — letztmals — zu hören.

Die Band, die "Legenden des Rock", die mit Hits wie "Crazy Man Crazy", "Shake Rattle & Roll" und "Rock Around The Clock" in den 50er Jahren ihr Publikum zum Kreischen und manche Eltern zur Verzweiflung brachte, trat zum Abschiedskonzert in Opladen an. "Meine erste Begegnung mit Bill Haley und seiner Musik hatte ich, als ich Mitte der 50er im Kino den Film 'Rock Around The Clock‘ gesehen habe", erzählt Schmidt. "Da haben Leute aus Protest die Leinwand mit Tomaten und rohen Eiern beworfen."

Von solchen Reaktionen war das Publikum in der Stadthalle weit entfernt. Statt Tomaten flogen Kusshändchen auf die Bühne und am Ende sogar eine Strumpfhose. Nachdem die Firebirds, eine Rock‘n‘Roll-Formation aus Leipzig, dem Publikum gut eingeheizt hatten — inklusive Einsingen, Warmklatschen und Übungen zum "locker aus der Hüfte Schnipsen und dabei ein entspannt-amerikanisches Gesicht machen" — hätte es der Aufforderung von Veranstalter Manni Gruse, den Comets beim Einzug zuzujubeln gar nicht mehr bedurft. "Wenn die Jungs nachher reinkommen, dann läuft eine Live-Aufnahme von "When The Saints Go Marching In" vom größten Rockkonzert aller Zeiten 1958 in Paris", hatte er schon zu Beginn des Konzertes angekündigt.

"Und dann müssen Sie schreien und jubeln, dann müssen wir die Jungs empfangen, dass sie denken, sie wären wieder in Paris." Wie das war damals, das konnten allerdings nur drei der fünf Musiker wissen, die begleitet von den Leverkusener Cheerleadern "The Wild Cats" gegen 21.30 Uhr in die Stadthalle einzogen. Johnny Grande, der in der Original-Besetzung der Comets in die Tasten haute, ist nämlich im Juni vergangenen Jahres verstorben, und Gitarrist Franny Beecher hatte sich vor der Tournee der Band einer Augenoperation unterziehen müssen und vom Arzt ein Flugverbot erteilt bekommen. "Das habe ich leider erst erfahren als die Plakate schon gedruckt waren", sagte Gruse. "Aber ich habe einen Brief fertig gemacht mit ein paar Bildern von seinen Auftritten hier in Opladen und Genesungswünschen, und es wäre schön wenn alle, die heute hier sind, diesen unterschreiben würden."

An Beechers Stelle griff Jackson Haney in die Saiten, und am Keyboard saß David Byrd, dessen virtuoses Spiel sich hervorragend in den Gesamtsound einfügte. Unterstützt von diesen beiden bewiesen Joey D´Ambrosio am Saxophon, Marshall Lytle am Kontrabass und Dick Richards am Schlagzeug, dass Rock‘n‘Roll wirklich keine Frage des Alters ist. Zusammen kommen die drei zwar auf stolze 230 Jahre, aber ihr Spiel ist energievoll wie eh und je und ließ — nicht nur bei den Schlagzeug-Soli des 83-jährigen Richards — den Saal der Stadthalle erbeben. "Leider ist es ihr letzter Auftritt in Opladen", sagte Manni Gruse. "Es tut mir zwar in der Seele weh, aber es ist zu viel Stress, das alleine zu organisieren." Zum Auszug der Band lief deswegen "Time to say goodbye". Aber das änderte nichts daran, dass der ein oder andere Besucher auf dem Heimweg doch summte "See you later, Alligator".

(RP)
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