Langenfeld Schulleiterin blickt zurück auf 25 Jahre

Langenfeld · Die Rektorin der Langenfelder Erich-Kästner-Grundschule hat heute ihren letzten Schultag – vor Ferien und Pension.

 Nach vier Jahrzehnten im Schuldienst freut sich Marie-Luise Münch-Rippel jetzt auf mehr Zeit mit ihrem Enkel sowie auf mehr Sport und Bewegung.

Nach vier Jahrzehnten im Schuldienst freut sich Marie-Luise Münch-Rippel jetzt auf mehr Zeit mit ihrem Enkel sowie auf mehr Sport und Bewegung.

Foto: MATZERATH

Die Rektorin der Langenfelder Erich-Kästner-Grundschule hat heute ihren letzten Schultag — vor Ferien und Pension.

Langenfeld Nach 25 Jahren verabschiedet sich Marie-Luise Münch-Rippel als Schulleiterin von der Erich-Kästner-Grundschule in Langenfeld. Im RP-Interview äußert sich die angehende Pensionärin über die Veränderungen und Zukunftsaussichten von Grundschulen.

Als gebürtige Leverkusenerin sind Sie Langenfeld seit 40 Jahren treu. Wollten Sie je wechseln?

Münch-Rippel Auf keinen Fall. Langenfeld hat immer hervorragende Möglichkeiten geboten. Die Zusammenarbeit mit dem Schulverwaltungsamt war beispielhaft. Die Stadt hat immer sehr viel Geld in die Grundschulen gepumpt. Die schulischen Möglichkeiten sind in Langenfeld im Vergleich zu vielen anderen Städten ausgezeichnet, deshalb wollte ich auch nie woanders hin.

Sie haben einige Reformen innerhalb des Grundschulbereiches in den letzten Jahrzehnten mitgemacht. Was war die gravierendste Veränderung?

Münch-Rippel Ganz bestimmt die Inklusion. Ihre Umsetzung geht meiner Meinung nach jedoch viel zu schnell. Viele Lehrer und Lehrerinnen sind gar nicht ausreichend für die Ansprüche von lern- und körperbehinderten, emotional und sozial auffälligen Kindern ausgebildet. Es gibt zu wenig Personal. In meinen Augen können wir derzeit weder den betroffenen Kindern noch den anderen in einer Klasse damit richtig gerecht werden.

Wo genau liegen die Probleme?

Münch-Rippel Das, was vorher geschulte Experten gemacht haben, können viele Grundschullehrer gar nicht richtig leisten, weil sie darin keine Fachausbildung haben und zu viele Kinder da sind, um die sie sich zeitgleich kümmern müssen.

Das Land bietet doch Lehrerfortbildungen an?

Münch-Rippel Ja, aber das geschieht nebenher in der Freizeit und reicht nicht aus, um sich in die ganz komplexen Anforderungen für die verschiedensten Behinderungen in relativ kurzer Zeit einzuarbeiten und individuelle Lern- und Integrationskonzepte zu finden.

Und wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit den Eltern?

Münch-Rippel Ich schätze die Zusammenarbeit mit den Eltern, aber es sind leider immer wieder die gleichen Eltern, die sich einsetzen und helfen. Die anderen ziehen sich heraus. Viele Eltern sind fordernder geworden und haben die Haltung, etwas vom Staat und der Schule bekommen zu müssen, was ihnen zusteht. Andersherum sehen sich viele nicht in der Pflicht, auch etwas beizutragen. Das fängt bei der Erziehung im Elternhaus an.

Können Sie Beispiele nennen?

Münch-Rippel Konflikte werden nicht mehr richtig gelöst. Manche Kinder treten gleich los oder hauen zu, wenn es mal Streit gibt, weil sie meinen, das Recht dazu zu haben. Viele Kinder kennen keine Grenzen. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass Kinder all ihre Schulsachen oder ein gesundes Butterbrot dabei haben. Elterngespräche sind schwieriger geworden. Wenn etwas schiefläuft, dann sehen sie sich nicht in der Verantwortung für ihre Kinder. Viele Eltern kennen nur ihre Rechte, aber leider nicht mehr ihre Pflichten.

Welche wären das in Ihren Augen?

Münch-Rippel Das fängt bei den Tugenden wie Pünktlichkeit, Ordnung und Respekt gegenüber anderen an. Das scheint vielen einfach nicht mehr wichtig zu sein.

Worauf führen Sie das zurück?

Münch-Rippel Auf den Wandel in der Gesellschaft. Die Medien spielen dabei auch eine Rolle. Außerdem trauen sich viele Eltern nicht mehr, ihre Kinder richtig zu erziehen und ihnen auch einmal Grenzen zu setzen. Das wird den Schulen überlassen. Viele Eltern sehen sich eher als Freund oder Kumpel ihrer Kinder, aber diese Haltung ist gerade für Kinder im Grundschulalter, die Strukturen und Grenzen brauchen, damit sie sich orientieren und selbst finden können, nicht ratsam. Ist dann doch mal etwas, dann pochen viele Eltern auf ihre Rechte.

Inwiefern hat sich die didaktische Arbeit im Grundschulbereich geändert?

Münch-Rippel Heute haben wir eine Mischung aus selbstbestimmtem Lernen und Frontalunterricht. Viele Pädagogen würden den Frontalunterricht — das heißt, dass der Lehrer vor den Schülern vorne steht — in der Grundschule möglicherweise gerne komplett abschaffen. Ich halte ihn für genauso wichtig, weil Lernen eine Struktur benötigt und gerade das für Kinder, die sonst keine Strukturen kennen, essentiell ist. Die Mischung macht es also.

Welche Entwicklung in der Primarstufe sehen Sie positiv?

Münch-Rippel Ganz wichtig finde ich die Ogata, die Offene Ganztagsschule. Viele Kinder, die sonst ab mittags auf der Straße herumlaufen würden, wenn die Eltern arbeiten gehen, haben in der Schulbetreuung eine Anlaufstelle und Ansprechpartner. Außerdem haben sie die Möglichkeit, das soziale Miteinander einzuüben und neue Dinge in den Kursen zu lernen. Das Personal der Ogata setzt sich sehr engagiert dafür ein, doch das geschieht bei 240 Kindern mit einer Personaldecke von zwölf Leuten unter wirklich zumeist schwersten Bedingungen. Da müsste sich auf jeden Fall noch etwas ändern, denn auch hier läuft Bildung nur über das Personal, das aber so nicht alles auffangen kann.

Sie haben für die Schule viel geleistet, obwohl der Leiterjob finanziell keinen großen Anreiz bietet. Warum haben Sie sich das "angetan"?

Münch-Rippel Ich liebe Kinder und habe mich hier immer sehr wohl gefühlt. Man muss in diesem Job starke Nerven und zudem Kinder einfach gerne haben, dann kann er sehr erfüllend sein.

Was möchten Sie nach der Schule machen?

Münch-Rippel Ich freue mich darauf, mehr Zeit mit meinem vierjährigen Enkel zu verbringen und viel Sport zu machen.

VIOLA GRÄFENSTEIN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(vg)
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