Stadtteil-Porträt (8) Monheim: Vom Mittelalter bis zur Moderne

Langenfeld · Er ist mehr als 600 Jahre alt, rund 26 Meter hoch und seine Mauern sind an einigen Stellen bis zu zwei Meter dick. Der Schelmenturm ist neben der Marienburg das bekannteste Wahrzeichen der Stadt.

 Stadtarchivar Michael Hohmeier mit einer Kohlezeichnung über die historische Altstadt.

Stadtarchivar Michael Hohmeier mit einer Kohlezeichnung über die historische Altstadt.

Foto: ralph Matzerath

Einst war das massive Bauwerk Teil einer Befestigungsanlage, die womöglich die ganze Altstadt umschloss. "Ob das nun eine feste Mauer war oder eher ein Bollwerk aus Palisaden, ist bis heute ungeklärt" sagt Michael Hohmeier. Für den Stadtarchivar ist der Schelmenturm ein prägendes Element des historischen Stadtkerns — und daher Pflichtstation bei den Rundgängen, die der Fachmann für die Stadtgeschichte regelmäßig anbietet.

"Es gibt noch ungelöste Rätsel", meint 54-Jährige, "aber die archäologischen Hinweise schlummern vermutlich unter der heutigen Bebauung." Trotzdem hat er viel zu erzählen, wenn es um die Entwicklung der Rheingemeinde geht. Wann genau die erste Siedlung vor Ort entstand, ist indes nicht abschließend geklärt. Das Wort "Monheim" deutet jedoch auf die Franken hin, die ihre Städte oft mit dem Zusatz "Heim" versahen. Das würde den Ursprung der Stadt irgendwo zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert verorten. "Das ist allerdings nur Spekulation", unterstreicht Hohmeier. "Die erste bekannte namentliche Erwähnung Monheims ist in einer Urkunde, die etwa im Jahr 1150 datiert." In dem mittelalterlichen Schriftstück geht es um ein Grundstücksgeschäft, das zwischen dem Kölner Gereonsstift und einem gewissen "Wilhelm von Monheim" abgeschlossen wurde.

Im Jahr 2000 feierte die Stadt daher ihren 850. Geburtstag — auch wenn der wahre Ursprung vermutlich ein paar Jahrhunderte vorher liegt. Von 1275 bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein war die Stadt kompakt. Der Schelmenturm schirmte die Gemeinde nach Osten hin ab. Jenseits seines Torbogens gab es im Grunde nur Felder und Wiesen. Im Westen diente der Rhein als natürliche Barriere. Im Norden und Süden erstreckte sich die Altstadt wohl nur bis zur heutigen Kirch- und Schildgesgasse.

Trotz der beschaulichen Größe war Monheim wegen der strategischen Lage am Rhein und einem Konflikt zwischen dem Herzogtum Berg und den Kölner Erzbischöfen bedeutsam für die Region, auch als Amtssitz. 1390 wurde Monheim zur "Freiheit" mit eingeschränkten Stadtrechten, die unter anderem das Ausrichten eines Marktes erlaubten, erhoben. "Erst im 19. Jahrhundert wurde auch jenseits des Schelmenturms gebaut", sagt Hohmeier. Später siedelte sich auch Schwerindustrie an, zum Beispiel eine Ölraffinerie am Rheinufer.

Im Zweiten Weltkrieg warfen alliierte Bomber daher tonnenweise ihre tödliche Fracht über dem Stadtgebiet ab — mit Folgen bis in die Gegenwart. 2012 stießen Bauarbeiter an der Ecke Krischer-/Lindenstraße auf einen Blindgänger. Der Bombenfund in der Innenstadt hielt die Anwohner in Atem, bis der Kampfmittelräumdienst die fünf Zentner schwere Bedrohung entschärfte.

Nach dem Weltkrieg folgten Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Wohnraum für junge Familien war knapp und so wurde innerhalb von nur rund zehn Jahren das Berliner Viertel geplant und gebaut. Die Bevölkerung wächst in dieser Zeit von 20 000 auf rund 40 000. Die aus heutiger Sicht ästhetisch fragwürdige Plattenbausiedlung gilt oft als Problemviertel der Stadt. Martin Belger zog 1972 mit seiner Familie in eine Wohnung an der Anne-Frank-Straße. Seit 43 Jahren lebt er im Berliner Viertel. Der 72-Jährige ist Vorsitzender des LEG-Mieterbeirats, war viele Jahre lang an der Organisation des Septemberfestes beteiligt und kennt das Viertel nach eigenem Bekunden "wie seine Westentasche". Im Laufe der Jahre habe sich viel verändert, findet der Polier im Ruhestand. "Inzwischen leben hier vor allem Zuwanderer und einkommensschwache Familien", meint Belger. "Das war nicht immer so."

Er erinnert daran, dass sozialer Wohnungsbau mehr als nur eine architektonische Sünde ist. "Hier gibt es Schulen, Kindergärten, ein Schwimmbad sowie kulturelle Einrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten", sagt der Familienvater. "Ich fühle mich hier wohl." Erhan Güneser sieht es ähnlich. Er lebt seit 1980 im Viertel. Seine Familie zog von Hilden nach Monheim als er ein Kind war. Über das bisweilen schlechte Image des Stadtteils ärgert er sich. "Hier leben Türken, Marokkaner, Polen, Russen und auch viele Deutsche", meint der 41-Jährige, der 2004 den Sportverein Inter Monheim mitbegründet hat. "Wer Vorurteile hat, soll einfach her kommen und mit den Leuten reden. So schlimm sind wir nicht."

Monheim ist in fünf Bezirke unterteilt: Alt Monheim, Zaunswinkel, Musikantenviertel, Sandberg und Berliner Viertel. In den letzten Jahren hat die Stadt eine rasante Entwicklung genommen — von einer Nothaushaltskommune zur schuldenfreien Mittelstadt. Die Lage zwischen den Ballungszentren Köln und Düsseldorf sowie der niedrigste Gewerbesteuersatz in ganz NRW machen Monheim zu einem attraktiven Standort für Unternehmen. Die größten Arbeitgeber vor Ort sind unter anderem Bayer CropScience, UCB Pharma, Ecolab, Robot und BASF Personal Care.

Aber angefangen hat alles in der Altstadt. Bis heute hat der historische Stadtkern seinen Reiz. Das liegt auch an den Kneipen, die über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. Als "gutmütig, redselig, gesellig und nicht besonders obrigkeitshörig" beschreibt Emil Drösser den Rheinländer, also auch den Monheimer. Der 74-Jährige war 1977 Karnevalsprinz, viele Jahre lang Sitzungspräsident der Gromoka und ist Mitbegründer der "Paniker", die aus dem lokalen Brauchtum nicht wegzudenken sind. Der Bäckermeister im Ruhestand kann sich nicht vorstellen, woanders zu leben: "Ich bin hier geboren und hier werde ich auch irgendwann sterben", meint Drösser. "Monheim hat den Rhein, wunderbare Auenlandschaften, ein lebendiges Brauchtum und wer in die Großstadt will, ist schnell in Köln und Düsseldorf, um sich zu vergnügen. Was will man mehr?"

(dora)
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