Serie: Ab ins Museum Heimatgeschichte mit Gruselfaktor
Langenfeld · Das Langenfelder Stadtmuseum im Freiherr-vom-Stein-Haus setzt historische Schaustücke und Fotografien mit moderner Technik in Szene.
Gruselig, gruselig: Wer sich erstmals die stadtgeschichtliche Dauerausstellung anschaut, sollte nicht allzu schreckhaft sein. Gleich im ersten Raum blickt einem ein Totenschädel entgegen, der von einem 47 Zentimeter langen Eisennagel durchbohrt ist. Es ist nicht das Original, sondern eine detailgetreue Nachbildung des genau so schaurig 1964 auf einer Langenfeld Baustelle entdeckten und im Bonner Landesmuseum verwahrten Schädels einer wohl im 17. Jahrhundert hingerichteten Frau. „Wer sie war, was sie getan hat und wann genau sie getötet wurde, wissen wir nicht“, sagt Museumschefin Dr. Hella-Sabrina Lange. Moderne „Video-Holohead-Technik“ gibt der bei ihrem Tod etwa 30-jährigen Unbekannten ein lebendiges Gesicht. Der Hildener Tüftler Ralph Gellwitzki hatte für dieses Schädelkabinett eine Kunststoffmaske mit animierter Videoprojektion kombiniert. Der Besucher blickt in eine Hohlmaske. Sobald er sich ihr nähert, öffnet die Frau die Augen und beginnt nach einer Einleitung zu erzählen: „Es mag anno 1700 gewesen sein...“ Dabei schildert sie drei Versionen ihres Schicksals, die aufgrund der damaligen Gerichtsbarkeit möglich erscheinen. „Eine Mischung aus Fakten und Fiktion“, sagt Lange. Nicht nur im Schädelkabinett setzt das Stadtmuseum seit einer Komplettmodernisierung auf moderne Technik.
Warum hingehen? Auch ohne genaue Ortskenntnis lohnt sich ein Besuch. Unter dem Motto „Am Anfang war der Weg“ führt die Schau von der durch Langenfelder Ausgrabungsfunde dokumentierten Ur- und Frühgeschichte bis zum modernen Langenfeld. Entsprechend der lokalgeschichtlichen Bedeutung liegen die Schwerpunkte auf der Postgeschichte, auf Kirchen, Industrialisierung, Krankenhäusern, Kino, Hallenbad und den beiden Weltkriegen samt NS-Diktatur. Bei insgesamt 180 Quadratmeter Ausstellungsfläche ist der Platz beschränkt. „Deswegen bieten wir viele Informationen in elektronischer Form an“, sagt Lange. In allen vier Räumen stehen Computerterminals, auf deren Bildschirmen die Besucher detaillierte Erklärungen und Filme abrufen können. An einem größeren Bildschirm im Eingangsbereich können sich die Besucher Langenfelder Karten aus verschiedenen Epochen ansehen oder auch über einen Guckkasten mit animierten Videoszenen ins einstige Hallenbad eintauchen. Auf einem Monitor mit einem so genannten Stadtmorphing erlebt der Betrachter in virtuellen Rundgängen, wie sich Marktplatz, Berliner Platz und die Richrather Ortsmitte im Laufe der Zeit verwandelt haben. Wenige Schritte weiter steht folgende Warnung deutlich auf einem Emailleschild: „Vorsicht bei Gesprächen! Feind hört mit!“ Doch der Besucher darf unbesorgt zum Hörer des aus den 1930er Jahren stammenden Wandtelefons greifen. An sein Ohr gelangen eindringliche Schilderungen von Langenfelder Zeitzeugen über Erlebnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus – etwa der Massenerschießung am Wenzelnberg. So wie diese von Profisprechern gelesenen Texte durch historische Telefonapparate in Szene gesetzt werden, geschieht es auch an anderen Stellen. Die mit Urzeit- und Römerfunden oder etwa dem Modell einer Postkutsche bestückten Vitrinen werden auf vielerlei Art in Szene gesetzt. So schlammig und lehmig wie auf dem Podest am Eingang war der Boden zu Zeiten der ältesten Vorfahren der Langenfelder: Zwischen künstlichen Pflanzen, echtem Moos und weiß gestrichenen Baumstämmen stellen zwei schwarz-weiße Figurinen Zeitgenossen des Neandertalers dar. Natur soll angedeutet, nicht realistisch dargestellt werden. Sonst könnten die Szenen etwa mit eingekleideten Schaufensterpuppen ins Kitschige abgleiten.
Wen trifft man dort Das einzigartige Schädelkabinett hat sich rumgesprochen und zieht viele Auswärtige an. Doch auch sonst ist diese schnelle Zeitreise durch die Geschichtsepochen nicht nur für alteingesessene Langenfelder oder als Orientierungshilfe für Neubürger interessant. Immer wieder schauen sich Besucher von Kunstausstellungen im Erdgeschoss des Freiherr-vom-Stein-Hauses (nur noch bis Sonntag läuft bei freiem Eintritt eine beachtliche Expressionisten-Ausstellung) anschließend die Geschichtsschau im ersten Stock an.
Was ist sonst noch wichtig Kinder ab zehn Jahren können mit Hamster „Ham vom Langen Feld“ eine spannende Museumsrallye unternehmen. Eine 19-seitige Broschüre mit kniffligen Fragen zur Geschichtsausstellung hält die Mädchen und Jungen bei Laune. Das Heft ist für einen Euro als Spende an den Museumsverein erhältlich.