Thema Grenzen „Bei der Jugend geht es um Werte statt Strafe“

Langenfeld · Der Langenfelder Edwin Pütz hat viel mit Teenagern zu tun – als Jugendrichter und als Schulpflegschaftsvorsitzender des KAG.

     Edwin Pütz leitete lange die Jugendarrestanstalt in Düsseldorf.

Edwin Pütz leitete lange die Jugendarrestanstalt in Düsseldorf.

Foto: RP/Privat

  Jugendliche beschäftigen Edwin Pütz beruflich und ehrenamtlich. Als Vorsitzender der Schulpflegschaft des Konrad-Adenauer-Gymnasiums und in der Bürgerstiftung St. Josef Langenfeld kümmert er sich um deren gute Startbedingungen; als Jugendrichter trifft er junge Menschen, die negativ aufgefallen sind. Mit dem langjährigen Leiter der Jugendarrestanstalt in Düsseldorf sprach die RP über die Besonderheiten des Jugendstrafrechts.

Was ist vor Gericht der Unterschied zwischen straffälligen Erwachsenen und Jugendlichen?

Pütz  Das Strafgesetzbuch, das für Erwachsene gilt, enthält für alle denkbaren Taten einen konkreten Strafrahmen. Beispiel: Schwerer Raub gleich Gefängnis von drei bis fünfzehn Jahren. Im Jugendgerichtsgesetz, das bei Jugendlichen ab 14 Jahren und gegebenenfalls Heranwachsenden (18 bis 20 Jahre) anzuwenden ist, gibt es solche „Automatismen“ nicht. Denn im Jugendstrafrecht steht als gesetzliches Ziel die Verhinderung neuer Straftaten und gerade keine Bestrafung im Vordergrund. Dies soll mit erzieherischen Mitteln geschehen, wobei der Katalog möglicher Maßnahmen sehr vielfältig ist, um dem konkreten Einzelfall gerecht werden zu können. Es gibt das gern zitierte Beispiel „Höchststrafe – ein Buch lesen“, aber das ist zu kurz gegriffen. Denn wenn die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema helfen wird, neue Straftaten zu vermeiden, weil jemand dadurch bestimmte Werte oder Regeln versteht und akzeptiert, ist das Ziel erreicht.

Warum diese „Milde“? Soll Strafe nicht abschrecken?

Pütz  Einen solchen generalpräventiven Gedanken gibt es im Jugendrecht nicht. Grenzüberschreitungen gehören nämlich zur episodenhaften Entwicklung junger Menschen. Statistiken zeigen, dass 80 bis 90 Prozent aller Jugendlichen zwischen 12 und 15 Jahren mal gegen Gesetze verstoßen, vielfach in der Gruppe (Schulschwänzen, Sachbeschädigung, Ladendiebstahl, Schwarzfahren etc.) und in der Regel, ohne dass sie dabei auffallen. Das Gericht sollte erkennen: Wer hört von alleine wieder auf, bei wem reicht ein „Erlebnis“ wie das Auftauchen der Polizei zu Hause oder die Hauptverhandlung. Auch das schulische, familiäre und soziale Umfeld sind zu berücksichtigen. Der Richter führt intensive Gespräche mit dem Jugendlichen. Bei günstiger Prognose reichen fast immer ambulante Maßnahmen wie Sozialstunden. Auch umfassende Trainingskurse mit Sozialarbeitern sind oft sinnvoll. Es geht um die Reflektion des eigenen Verhaltens und um dessen Veränderung, und da kann tatsächlich sogar ein passendes Buch helfen.

Und wenn die Einsicht fehlt? Wir hören immer wieder von Rückfällen und Wiederholungstätern.

Pütz   Konsequenz ist hier, wie auch in der Erziehung sonst, sehr wichtig. Wer die Sozialstunden nicht ableistet oder wieder auffällt, der muss erkennen, dass Konsequenzen folgen. Der Jugendarrest ist fast das letzte Glied in der Kette der Erziehungsversuche, die teilweise schon früh mit ersten Maßnahmen des Jugendamtes begonnen haben. Dieser kurze Freiheitsentzug bietet die Chance, die Tage zu strukturieren, ohne Drogen und Alkohol zum Nachdenken zu gelangen, Beratungsgespräche zu führen und Schul- und Ausbildungschancen zu erkennen. Die Erfolgsquoten sind beachtlich, aber es gibt trotz aller Hilfsangebote immer auch andere Fälle, in denen wir mit unseren Mitteln keinen Erfolg haben. Aber es lohnt sich für jeden Einzelnen, ihm Chancen und Perspektiven zu eröffnen.

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