Krefelder Zoo Logistik für Profis: Zootiere auf Reisen
Krefeld · Zwischen 50 und 100 Tiertransporte beschäftigen jährlich den Krefelder Zoo. Eine Aufgabe, die Vorbereitung erfordert.
Es gibt Sätze, die brennen sich geradezu ins Gedächtnis ein. Cornelia Bernhardt erinnert sich an solch einen Satz, der ihren Blutdruck schlagartig in die Höhe schnellen ließ. "Dann wird das Tier eben mit der Kiste verbrannt". Diese Worte fielen in einem Telefongespräch mit einem australischen Zollbeamten, und das Tier, das von Krefeld nach Australien wechseln sollte, war ein Tiger. Zoo-Biologin Bernhardt erklärt: "Es war mein erster Tiertransport nach Australien. Ich wusste damals nicht, wie kompliziert die Einfuhr sein wird und was im schlimmsten Fall passiert." Bestimmte Materialien wie Holzwolle oder Einstreu sind in Australien aus Angst vor Schädlingen verboten. Auch das Material einer Transportkiste muss den strengen Kriterien dieses Landes genügen.
Zwischen 50 und 100 Tiertransporte organisieren die Mitarbeiter des Krefelder Zoos jährlich. Was sich einfach anhört - Kiste auf, Tier rein, Kiste zu - ist eine Wissenschaft für sich. Dicke Aktenordner liegen in den Büroräumen des Zoos, die sich mit Bestimmungen, Auflagen und Richtlinien beschäftigen. Bis alle Formalitäten geregelt sind, vergehen Monate, manchmal sogar Jahre. So wie bei Gorilla-Weibchen Kira, die 2007 nach Russland wechseln sollte und deren Transportvorbereitungen stolze anderthalb Jahre dauerten.
Kira war Cornelia Bernhardts erster Tiertransport. Während Transporte innerhalb der EU einheitlich geregelt sind und deswegen meist unkompliziert verlaufen, stellen Transporte in Nicht-EU-Länder das Zoo-Team immer wieder vor neue Herausforderungen. Allein die Überwindung sprachlicher Barrieren kostet Zeit und Nerven. "Im Fall von Kira wollten die Behörden die Unterlagen natürlich auf russisch haben. Für den Transport sollte man die Dokumente aber zusätzlich noch auf englisch vorlegen können, da diese Sprache in den meisten Ländern verstanden wird", erklärt Bernhardt. Problematisch waren auch die unzähligen Tests, die von den russischen Kollegen im Vorhinein verlangt wurden. So sollte Kiras Blut auf Ebola, Lassa und viele andere Krankheiten getestet werden.
"Es war eine schier unendliche Liste mit Tests, die gar keinen Sinn machten, da Kira immer in Gefangenschaft gelebt hatte. Wir konnten die Russen dann aber auf 13 Tests ,runterhandeln'", erzählt Cornelia Bernhardt. Kaum war dies geschehen, begann die nicht ganz einfache Suche nach einem Laboratorium, das solch ausgefallene Tests machen kann. Am Tropeninstitut wurden die Krefelder fündig. Die Standard-Tests übernahm das Veterinärinstitut. Und schon wartete die nächste Herausforderung auf die Logistiker vom Zoo.
Benötigt wurde ein Visum für Kiras Pfleger, der seinen Schützling nach Russland begleiten und bei der Eingewöhnung helfen sollte. Als auch das vorlag, konnte die Reise endlich beginnen - und zwar ohne Beruhigungsmittel für Kira, auf die bei Gorillas verzichtet wird, damit die Menschenaffen den Ortswechsel bewusst erleben und später nicht irritiert sind.
Für Herzklopfen beim Zoo-Team sorgte auch der Transport eines Baumkänguru-Männchens nach Melbourne. Die Tierpfleger hatten ihren Schützling bis zum Flughafen begleitet. Dort wird die Kiste dann samt Tier vom extra geschulten Flughafen-Personal übernommen, untersucht und durchleuchtet. Um die Versorgung des Tieres während der Reise so einfach wie möglich zu halten, haben die Kisten Öffnungen, durch die Futter und Wasser gereicht werden können und die auch auf englisch entsprechend gekennzeichnet sind. Bei der Zwischenlandung in Dubai jedoch interessierten solche Nebensächlichkeiten anscheinend niemanden. Ohne sich viel dabei zu denken, öffneten die Flughafen-Mitarbeiter die Schiebetür der Kiste und machten seelenruhig Fotos von dem für sie unbekannten Tier.
Was sie nicht wussten: Baumkängurus können sehr explosiv reagieren, wenn sie sich aufregen und sind dann schwer wieder zu beruhigen. "Glücklicherweise ist das Tier nicht ausgebrochen. Aber das sind so Schrecksekunden, auf die man gerne verzichten würde. Deswegen sind Direktflüge grundsätzlich besser", sagt Bernhardt. Wenn Zootiere verreisen, haben auch sie eine Art Tier-Ausweis dabei mit einer individuellen Ausweisnummer. Zusätzlich haben sie unter der Haut wie von Hunden und Katzen bekannt einen Mikrochip. Dadurch soll illegaler Tierhandel und Schmuggel verhindert werden. Bei Transporten außerhalb der EU müssen zusätzlich Ein- und Ausfuhrgenehmigungen beantragt werden.
Ist es meist die Bürokratie, die einen Tiertransport kompliziert macht, sind es in seltenen Fällen auch mal die Tiere, die so empfindlich sind, dass sie einen Transport nicht ohne Probleme überstehen. Zu diesen Tieren zählen die Blumenfledermäuse. Ihr Stoffwechsel ist dermaßen aktiv, dass sie rund 1000 Mal pro Nacht eine Blüte anfliegen müssen, um ihren Nahrungsbedarf zu stillen. Nur ein ganz schneller Transport, der nicht länger als einen Tag dauert, garantiert, dass die Tierchen nicht verhungern. Vor der Reise müssen die Fledermäuse noch ein letztes Mal gefüttert werden, und auch in ihrer speziellen Transportbox, in der sich die Fledermäuse an Stoffbahnen an die Decke klammern, gibt es einen Nektar-Vorrat.
Dagegen sind Transporte von Seelöwen oder Nashörnern regelrecht unkompliziert - wenn man an einen Radlader gedacht hat, um die Schwergewichte auf die Laster zu heben. Beim Transport von Nashorn-Nachwuchs Nabila gab's sogar noch einen besonderen Luxus. Cornelia Bernhardt erzählt: "Das Transportunternehmen hat uns eine Woche vor dem Transport-Termin bereits die Box gestellt, damit wir mit Nabila das Einsteigen trainieren konnten. Im Normalfall bauen wir die Boxen selber oder bekommen sie erst am Tag der Reise."