Krefeld Eltern von Behinderten drohen

Krefeld · Eltern der Bodelschwingh-Schule planen, ihre behinderten Kinder an Regelschulen anzumelden. Grund ist die Streichung des vollen Schülertaxi-Zuschusses. Überraschung: Die Politik nahm die Regelung am Dienstag vorerst zurück.

 Großer Andrang von demonstrierenden Eltern herrschte gestern in dem Saal, in dem der Schulausschuss tagte.

Großer Andrang von demonstrierenden Eltern herrschte gestern in dem Saal, in dem der Schulausschuss tagte.

Foto: Thomas lammertz

Am Mittwoch Abend werden sich 50 Eltern von Schülern der Bodelschwingh-Schule treffen und einen brisanten Plan beraten: "Wir überlegen als Reaktion auf die städtischen Kürzungen beim Schülertaxi, unsere Kinder jetzt an einer normalen Regelschule anzumelden, anstatt wie bisher an speziellen Schulen für Behinderte", sagte am Dienstag Rechtsanwalt Andreas Erben, Vater einer behinderten Tochter, unserer Redaktion.

Ein Formschreiben sei für alle Eltern vorbereitet worden. "Jeder muss nun selbst entscheiden, ob er diesen Weg geht. Ich tendiere derzeit stark dazu", sagte Erben unserer Zeitung gestern am Rande der Sitzung des Schulausschusses.

Rund 120 Eltern mit ihren behinderten Kindern protestierten dort gegen die Streichung von Zuschüssen für das Behindertentaxi. "Für uns war die alte Regelung eine Riesenentlastung", sagte Katja Jansen, Mutter eines behinderten Jungen, stellvertretend für viele Eltern.

Die Politik im Schul-Ausschuss entschied sich gestern Abend nach dem RP-Exklusivbericht zum Schultaxi überraschend, die Regelung zunächst zurückzunehmen und weiter zu beraten — mit Stimmen von SPD und Grünen, bei Enthaltung von CDU und FDP. Jetzt muss der Rat entscheiden. Für den Fall, dass er sich gegen die Rückkehr zum alten System entscheidet, droht offenbar eine Welle von Anmeldungen behinderter Kinder an Regelschulen.

Die Fronten sind verhärtet: Die Eltern reagieren mit dem Formschreiben auf die neue Spar-Politik der Krefelder Stadtverwaltung. In einem Schreiben war den Eltern von 160 behinderten Kindern vor wenigen Wochen mitgeteilt worden, dass die Stadt generell die Schülertaxibeförderung auf den Prüfstein stellt.

Die Verwaltung lieferte genaue Zahlen: 20 der 160 Anträge auf Schultaxi-Erstattung werden noch geprüft, 140 Anträge sind entschieden, davon wird 99 Eltern weiterhin voller Zuschuss gewährt, 35 bekommen nur noch einen Fahrtkostenzuschuss von 13 Cent pro Kilometer, sechs erhalten ein SWK-Monatsticket. "Die Einsparungen sind minimal", kritisierte SPD-Ratsherr Frank Meyer.

Rechtliche Basis für die Teilhabe behinderter Schüler am Regel-Unterricht — wie ihn die Eltern anstreben — liefert eine UN-Konvention zur "Inklusion". Am 26. März 2009 trat diese UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) in Deutschland in Kraft. Sie ist seither geltendes deutsches Recht und muss von den Behörden umgesetzt werden. Kerngedanke: Nicht mehr der Behinderte muss sich in die Gesellschaft integrieren, sondern die Gesellschaft muss die Strukturen für alle individuellen Bedürfnisse schaffen.

Die gravierendste Veränderung betrifft dabei das Schulsystem. Artikel 24 besagt, dass Kinder mit Behinderung ganz normal ins reguläre Schulsystem einbezogen werden sollen. Auch Krefeld wird das ganze Schulsystem daraufhin umstellen müssen.

Schulamtsleiter Rainer Hendrichs sagte: "Der Schulleiter entscheidet im Einzelfall immer, ob er ein Kind annehmen will. Die Stadtverwaltung als Schulträger ist nicht involviert." Andreas Erben sagt: "Wir sind gespannt, wie die Stadt auf unser Schreiben reagiert."

(RP)
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