Krefeld Der Uerdinger als solcher

Es ist ein ausgesprochener Glücksfall, wenn man beim Gespräch über das Wesen des Uerdingers auch einen Krefelder dabei hat. Denn der Uerdinger definiert sich nicht zuletzt über den heute nur noch humorvoll ausgetragenem Zwist zwischen den beiden bis 1929 selbstständigen Städten, die dann bis Kriegsbeginn sogar den gemeinsamen Namen Krefeld-Uerdingen zu tragen hatten.

Als "vorlaut, jedenfalls bezüglich der Korrektur vermeintlich falscher Mundart wie sie der Krefelder spricht" beurteilt der in der Rheinstadt geborene und dort als Leiter der Bezirksverwaltung tätige, aber bekennende Krefelder Rainer Küsters den "Uerdinger als solchen". Der hatte nämlich in Person des langjährigen Bezirksvorstehers Elmar Jakubowski seinen Vorredner kritisiert und beanstandet, dass es in Uerdingen "Wir hant" und nicht "Wir häbbe" heiße.

Älter als Krefeld

Der Uerdinger ist in hohem Maße heimatbewusst. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sein Gemeinwesen bereits um 900 urkundlich erwähnt wurde, schon 1255 die Stadtrechte erhielt und somit deutlich älter als Krefeld ist. Zahlen wie diese kennt Ortshistoriker Karl Engels, vor 88 Jahren mitten in Uerdingen geboren, seitdem dort wohnhaft und Archivar des Heimatbunds.

Dass er zudem seit 30 Jahren Schiedsmann ist, erweist sich bei der Plauderei mit den beiden anderen mehrfach als hilfreich. "Der Uerdinger ist tolerant und weltoffen, was auf die alten und weiten Handelsbeziehungen durch den Rhein zurückzuführen ist", stellt er sachlich fest. Und Jakubowski ergänzt "Große Kulturen sind immer an Flüssen entstanden. So gesehen ist Uerdingen die Wiege der Kultur in Krefeld", sagt er und blickt mit fast entschuldigendem Lächeln sein Krefelder gegenüber an: "Das muss ich sagen, denn der Uerdinger ist auch wahrheitsliebend."

Arbeitsam ist der Uerdinger allemal, was auf der einen Seite die Villen der Industriebarone wie Münker, Melchers oder die Herbertzhäuser (in einem von ihnen befindet sich das heutige Rathaus) belegen. Andererseits beweist das auch die Tatsache, dass die beiden Arbeitersiedlungen gemeinsam mehr als doppelt so groß wie der Stadtkern sind: Das "Ratzveedel" um den Lindenplatz im Westen und "Braunschweig" unter anderem mit der Ter-Meer-Siedlung im Norden. Die dortige St. Heinrichkirche hatte eine Braunschweiger Bauhütte mit ihren Arbeitern errichtet, die in ihrer Freizeit auch Theater spielten. Daraus ist dann die Braunschweiger Narrenzunft (BNZ) entstanden.

Womit wir beim Karneval wären, neben dem österlichen Eierkippen im Brempter Hof, der Uerdinger Kirmes und dem Sinter-Klaas-Besuch aus Venlo die bedeutendste Gelegenheit, echte Uerdinger zu treffen. Neben der BNZ prägen die KG Op de Höh, die KG Eulenturm und die Uerdinger Bürgerwehr diese fünfte Jahreszeit. "Wer als Uerdinger etwas auf sich hält, ist Mitglied in einem dieser Vereine", sagt Engels. Eine Probe rheinisch-oedingschen Frohsinns und Humors schließt Jakubowski gleich an: "Warum ist es am Rhein so schön? Weil die Krefelder, die Aape, an dä Rhien stont on jaape!"

Da bleibt dem Herzens-Krefelder und Berufs-Uerdinger Rainer Küsters nur die resignative Einsicht: "Die Uerdinger begegnen den Krefeldern immer mit einer mitleidigen Distanz." — "Aber reinen Herzens", sagt Jakubowski.

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