Krefeld Der Bockumer als solcher

"Also, früher war das ganz einfach: Wer auf der Busch-, der Sollbrüggen-, der Verberger-, an der Keutmann-, Windmühlen- und auf bestimmten Teilen der Uerdinger Straße geboren war, war Bockumer" , sagt der Ortshistoriker Dr. Reinhard Feinendegen.

Der 77-Jährige hätte damals nicht dazu gehört, obwohl er seit gut einem halben Jahrhundert in Bockum wohnt. Erst in den 60er Jahren durchwehte den Stadtteil ein Zug von Liberalität, so dass seitdem als Bockumer gilt, wer sich im Ort engagiert.

Echtes Bockum gibt's an St. Martin

Gerda Keller kann das bestätigen, denn die 71-Jährige zog vor etlichen Jahrzehnten vom Rott — wie der Bockumer Westen früher genannt wurde — "ins Dorf" nach Alt-Bockum. "Ich habe mich schnell im Bockumer Turnverein und in der Gertrudis-Gemeinde engagiert. Da sind die Gruppen, die man immer wieder trifft." — "Stimmt, aber wer die Bockumer wirklich erleben will, kann das am besten im Martinszugverein und bei den Schützen", sagt Heinrich Maas (69), immerhin Marschall beim Bockumer Schützenverein von 1611.

Dem stimmt auch Mathias Meyer zu, der vor 76 Jahren in Alt-Bockum geboren wurde und seit fast drei Jahrzehnten Vorsitzender einer der bedeutendsten Bockumer Institutionen, dem Sängerbund, ist. Und heute zieht das Fest am 1. Mai auch die jüngeren Neubürger an, bestätigen alle.

Wie denn der Bockumer an sich zu charakterisieren sei, bedarf längerer Überlegung. Schließlich ist der Stadtteil ja inzwischen mit Krefeldern und sogar Uerdingern durchmischt. Prominente Krefelder Familien kamen schon im 19. Jahrhundert nach Bockum, erwarben oder bauten die Häuser Sollbrüggen, Schönhausen oder auch Schönwasser. Ja, auch letzteres gehört zu Bockum, ebenso wie die Vreed und der Stadtwald.

Früher jedenfalls, so einigt sich die Runde, war der Bockumer katholisch, aber nicht unbedingt brav. "Nicht alles, was der Pastor sagte, war ein Evangelium; man hatte schon seine eigene Meinung", formuliert Feinendegen, was Maas mit einem breiten Grinsen auch für die Gegenwart reklamiert und das Wort "Bypass" ausspricht: "Sagen wir mal so: "Wenn man die Uerdinger Straße verlegen würde, könnte man aus dem Bockumer Platz was Schönes machen."

Auch wenn die Mundart, die die Bockumer Autorin Hedwig Wittmann so perfekt in Wort und Schrift beherrscht, im Aussterben ist: "Ich spräek tu Huus maar Platt", sagt Meyer; "Auch bei den Gesangsproben und beim Stammtisch wird noch Platt gesprochen." Und damit sind wir bei den klassischen Treffpunkten der Bockumer: "Ganz früher war es das Haus Schüten — aber nur für die gehobene Gesellschaft", sagt Maas. "Heute trifft man sich nach wie vor im Hotel Benger oder bei Mormels — vermehrt auch in der Friesenstuv, und die Jüngeren haben ihren Chocolate Fish am Bockumer Platz."

Wie man den Bockumer auch einstufen mag, eines ist er offenbar nicht: Karnevalist. Wenn auch der Sängerbund nicht zuletzt durch seine "Karnevalsrevue" in ganz Krefeld bekannt ist und auch die "Weiber in Bockum" mit ihrem Rathaussturm auf eine private Initiative von Gerda Keller zurückgeht: Es gibt in Bockum keinen Karnevalsverein. "Und trotzdem sind wir eine karnevalistische Hochburg", hält Maas dagegen: "Seit die Prinzengarde aus Krefeld ihr Domizil in unserem alten Bockumer Spritzenhaus hat!"

(dur)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort