Kleve Einblicke in Pekings "Goldenen Käfig"

Kleve · Astrid Nippoldt beschäftigt sich in ihren Videos mit der "Oakwood Residence Beijing", einem chinesischen Wohnturm mit Rundum-Versorgung. Im Museum Kurhaus dokumentiert sie tristen Alltag und diffuse Stimmungen.

 Die "Oakwood Residence Beijing": Ein Luxus-Refugium, in das sich die Bewohner immer mehr zurückziehen.

Die "Oakwood Residence Beijing": Ein Luxus-Refugium, in das sich die Bewohner immer mehr zurückziehen.

Foto: Katalog

Um 5.30 Uhr wacht der Bewohner der "Oakwood Residence Beijing" auf. Er kocht und spielt Videospiele, manchmal wäscht, noch seltener malt er. Und wenn am nächsten Morgen ein neuer Tag anbricht, beginnt der monotone Rhythmus seines Alltags wieder von vorne.

 Nippoldts Werk "My Day", widmet sich einem Bewohner der Residenz, spielt mit dem starren Blick aus einem der Fenster des Turms.

Nippoldts Werk "My Day", widmet sich einem Bewohner der Residenz, spielt mit dem starren Blick aus einem der Fenster des Turms.

Foto: Gottfried Evers

Die in Kleve aufgewachsene Künstlerin Astrid Nippoldt hat sich in ihren beiden Video-Werken, die derzeit im Museum Kurhaus gezeigt werden, mit der "Oakwood Residence Beijing" auseinandergesetzt. Ein Turm voller Luxuswohnungen in Chinas Hauptstadt, der scheinbar keine Wünsche offen lässt. Geschäfte und Privatgärten, Kinderbetreuung und Fitnesscenter stehen den gut betuchten Bewohnern zur Verfügung. Diese könnten das Haus zwar theoretisch noch verlassen – Nippoldts unbekannter Bewohner aber scheint schon lange nicht mehr hinaus zu wollen in die 20-Millionen-Menschen-Metropole. Immanuel Kants Ruf nach Aufklärung, er scheint in der "Oakwood Residence" umgekehrt. Der Mensch hat sich zurück in die selbstverschuldete Unmündigkeit begeben.

"Eingehüllt in eine Service-Rundum-Blase westlichen Standards ergeben sich die Insassen früher oder später der Passivität eines drohnenhaften Daseins", meint Museumsleiter Harald Kunde im Vorwort zum die Ausstellung begleitenden Katalog.

Astrid Nippoldt, die diesen "Goldenen Käfig" für zwei Wochen erlebt hat, konfrontiere den Betrachter jedoch weniger mit individuellen Geschichten als vielmehr mit der bildlichen Transformation des luxuriös-degenerierten Refugiums, so Kunde. Die gezeigten Arbeiten "Oakwood Garden, und "My Day" teilen dabei zwar theoretisch ihren Bezugspunkt, sind in ihrer Wirkung aber vollkommen unterschiedlich. "My Day", das sich dem Bewohner widmet, spielt mit dem starren Blick aus einem der Fenster des Turms. Die Sicht auf Hochhäuser unterschiedlicher Größe in direkter Umgebung bietet nichts als Tristesse und untermauert die kurzen Text-Einwürfe, die den Tagesablauf aus der Ego-Perspektive beschreiben.

"Oakwood Garden" hingegen bietet diffuse Stimmungen, mal ganz harmlos, dann wieder geradezu bedrohlich, untermalt mit Klängen und Geräuschen. Beats hämmern zu schimmernden Lichtern, Bilder verschwinden im Unscharfen, ehe sie begriffen werden können. "Die Bilder kommen und gehen, man bekommt sie aber nie zu fassen", sagt Roland Mönig, Kustos des Museums Kurhaus. Den besonderen Effekt des "unscharfen Bereichs zwischen Realität und Traum" unterstreicht Nippoldt mit einem handwerklichen Trick, wie Mönig erklärt. So wird der Film auf eine graue Fläche projiziert, der Rest der Wand aber ist weiß geblieben. "So entsteht ein körniger Eindruck, als schaue man durch einen Schleier", sagt Mönig.

Das Spiel von Licht und Schatten hat sie dabei mit der parallel gezeigten Ausstellung von Michael Reisch gemein. Ihr Konzept aber verläuft geradezu antithetisch: Während Reisch auf den Punkt genau plant und komponiert, bleiben die Werke Astrid Nippoldts immer diffus.

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 24. November.

(RP)
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