Grevenbroich Blinde loben neue Überwege

Grevenbroich · Die barrierefreien Überwege in der Stadt sind umstritten, vor allem Gehbehinderte haben Kritik. Nun melden sich Blinde und Sehbehinderte: Die Lösung sei für sie optimal, die Kommunikation im Vorfeld jedoch "schief gelaufen".

 Peter Gabor vom Verein Pro Retina und andere Sehbehinderte bezeichnen die neuen barrierefreien Überwege als eine für sie gute Lösung.

Peter Gabor vom Verein Pro Retina und andere Sehbehinderte bezeichnen die neuen barrierefreien Überwege als eine für sie gute Lösung.

Foto: l. BERNS

Peter Gabor steht beim Finanzamt am barrierefreien Überweg, der 57-Jährige hat auf einem Auge nur sechs Prozent Sehkraft, auf dem anderen kann er nur hell und dunkel unterscheiden. "Die neuen barrierefreien Überwege sind für Blinde und Sehbehinderte optimal", sagt der 57 Jahre alte Leiter der Regionalgruppe Niederrhein von Pro Retina, der Selbsthilfevereinigung für Menschen mit Netzhautdegenerationen. Doch er erklärt auch: "Die Diskussion erweckt den Anschein, als gebe es einen Konkurrenzkampf zwischen den Gruppen der Geh- und der Sehbehinderten. Das darf nicht sein. Da scheint im Vorfeld die Kommunikation schief gelaufen zu sein."

In der Debatte um die barrierefreien Überwege melden sich nun Blinde und Sehbehinderte zu Wort. Für 100 000 Euro aus Mitteln des Konjunkturprogramms II entstanden 32 Überwege mit getrennte Bereichen für Geh- und Sehbehinderte. Doch es hagelt Kritik vor allem von älteren Menschen, von Rollstuhlfahrern und Menschen mit Rollatoren. Sie fühlen sich auf den Überwegen unsicher — Passanten berichten von Stürzen auf den Platten mit Querrillen. Die Stadtverwaltung argumentiert, sie habe sich an die Empfehlungen des Landesbetriebs Straßen NRW gehalten.

Das bestätigt Gabor, seine Kritik gilt anderem: "Schon im Vorfeld der Planung hätte die Stadt sich mit der Behindertenbeauftragten und dann mit Vertretern der betroffenen Verbände an einen Tisch setzen sollen. Gemeinsam hätten wir eine Lösung gefunden, die alle zufriedenstellt. Unserem Verein ist erst die fertige Planung präsentiert worden. Wir konnten das nur zur Kenntnis nehmen." Auch Behindertenbeauftragte Charlotte Häke hatte erklärt, sie wäre gern von Anfang an einbezogen worden.

Mit dem weißen Stock tastet Ingrid Meyer (Name von der Redaktion geändert) die Straße ab, stößt auf die Fahrbahnkante. "Wir Blinde sind auf diese drei Zentimeter hohe Kante angewiesen, sonst laufen wir auf die Fahrbahn zu", sagt die 40 Jahre alte Grevenbroicherin, die nach einem Unfall mit 16 Jahren blind ist. "Das Noppenfeld auf dem Bürgersteig sagt uns, dass hier ein Überweg ist. Die Platten mit Längsrillen geben die Laufrichtung an, Platten mit Querrillen bedeuten: Stopp, hier droht Gefahr", erklärt Meyer, die sich über die neuen Überwege freut. "Ich möchte mich ja selbständig in der Stadt bewegen können", sagt sie. "Behinderte, ob geh- oder sehbehindert, brauchen Hilfen — und dafür benötigen wir den Dialog", betont Peter Gabor.

(NGZ)
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