Erkelenz Alt-Pesch — so stirbt das Dorf

Erkelenz · Noch 30 Menschen wohnen in dem Ort, der nur noch wenige 100 Meter von den Braunkohle-Baggern entfernt ist. Die Bewohner klagen über immer dreister werdende Diebstähle und Vandalismus jeglicher Art.

Für Nicole Schmitz beginnt jeder Tag mit einem Ritual: "Direkt nach dem Aufstehen schaue ich erst mal draußen vor dem Haus nach, ob noch alles da und heil ist." Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern gehört sie zu den wenigen noch (zwangsweise) verbliebenen Einwohnern in Alt-Pesch. Bis auf wenige hundert Meter haben sich die Braunkohle-Bagger mittlerweile an das Dorf herangefressen. "Lieber heute als morgen würden wir hier wegziehen, doch RWE Power hält uns hin. Verhandlungstermine werden immer wieder verschoben", klagt sie.

Allmorgendliche Inspektion

Zu ihrer allmorgendlichen Inspektion hat sie allen Grund: "Es ist unglaublich, was hier mittlerweile alles gestohlen oder beschädigt wird. Mit Jugendstreichen hat das nichts mehr zu tun." Dass Blumentöpfe und Klappstühle aus dem Garten entwendet worden seien, sei ja noch harmlos. "Aber bereits zweimal ist einer unserer Hunde vergiftet worden. Viele versuchen, in unser Haus zu kommen."

Und das, obwohl doch offensichtlich sei, dass ihr Haus noch bewohnt sei — im Gegensatz zu den meisten Häusern in Alt-Pesch sind beispielsweise die Fenster hier noch nicht mit Brettern vernagelt.

Mächtig Wut im Bauch hat Hermann-Josef Felten. Als Mitglied des Bürger-Beirats kämpft er auch gegen Diebstähle und Vandalismus. "In einem Bauernhof ist des Nachts sogar schon mal ein 5000-Liter-Milchtank auseinandergeschweißt und mitgenommen worden."

Nicole Schmitz hat es aufgegeben, jeden Diebstahl und jede Sachbeschädigung der Polizei zu melden. "Das bringt nichts. Nach ein paar Wochen kommt die Mitteilung, dass der Täter nicht ermittelt werden konnte und das Verfahren eingestellt wurde."

Es gebe auch kuriose Situationen, sagt sie. So habe sie mal jemanden am frühen Morgen dabei erwischt, wie der gerade damit beginnen wollte, die Pflastersteine ihrer Hauseinfahrt zu demontieren. "Ich habe von RWE Power die Erlaubnis", habe der Mann gesagt und eine Bescheinigung gezeigt. "Die Hausnummer stimmte zwar, nicht aber der Ort. Der durfte das bei dem entsprechenden Haus in Spenrath tun", sagt sie schmunzelnd. Da Alt-Pesch schon seit längerem kein Ortsschild mehr habe (das sei ständig gestohlen worden), habe sich der ortsunkundige Mann im Ort geirrt. "Sagte er zumindest."

Ständig würden Autos mit auswärtigen Kennzeichen durch den Ort fahren, um leerstehende Häuser auszukundschaften. Auch gestern Morgen fahren sehr viele Fremde durch den Ort. Als wieder mal einer vorbeikommt, schaut Nicole Schmitz ihm kurz nach und sagt dann: "Wieder einer, der sicher nicht zum Blümchenpflücken vorbeigekommen ist."

(RP)
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