Duisburg Ruhrbischof: Kirche ist kein Selbstzweck

Duisburg · Bischof Overbeck beschreibt die Situation der Kirche nüchtern: "Wir als Kirche sind oft nicht in der Lage, die Faszination des Glaubens zum Ausdruck zu bringen." Den Terroranschlag in Frankreich nannte er "menschenverachtend".

 Die Kirche soll für den Menschen da sein. Nicht immer ist das so offensichtlich wie hier bei der Einweihung der Turnhalle des Abtei-Gymnasiums in Hamborn.

Die Kirche soll für den Menschen da sein. Nicht immer ist das so offensichtlich wie hier bei der Einweihung der Turnhalle des Abtei-Gymnasiums in Hamborn.

Foto: Achim Pohl/Ruhrbistum

Den begonnenen Weg der inneren Auseinandersetzung, des Gesprächs und Dialoges weiter zu gehen, damit Kirche "neu werden" kann, dazu ruft Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck die Katholikinnen und Katholiken des Ruhrbistums in seinem Bischofswort auf, das heute und morgen in allen katholischen Gottesdiensten im Bistum Essen verlesen wird.

Das "Zukunftsbild" bleibe dabei eine wichtige Orientierung. Der Weg zu einer neu werdenden Kirche, der ein "geistlicher Weg" sei, setze Haltungsänderungen voraus. Es brauche überzeugte und überzeugende Christinnen und Christen, die "ausstrahlen, anziehend wirken, etwas zu sagen haben und bei anderen eine Ahnung von Gottes Gegenwart wecken".

Immer mehr Menschen in Deutschland glauben nicht mehr an Gott. Es wird kaum noch über ihn gesprochen. Dieses nüchterne Fazit zieht der Ruhrbischof. "Wir als Kirche sind oft nicht in der Lage, die Faszination des Glaubens durch Wort, Tat und Menschen so zum Ausdruck zu bringen, dass sie berührt und überspringt", so Overbeck selbstkritisch.

Das Sprechen über Glaubenserfahrungen falle Vielen schwer. Die Realität sei schwer auszuhalten und schmerze.

Der Bischof ruft dazu auf, die Wirklichkeit nüchtern wahrzunehmen und zu leben. "Wir können nicht einfach nur fortsetzen, was wir immer schon getan haben, was wir kennen und heute für richtig halten", betont Overbeck. Es sei hilfreich, die Perspektive der Menschen einzunehmen, die der Kirche schon den Rücken gekehrt oder sich distanziert haben, die nach Antworten auf ihre Fragen suchen. Das sei ein wichtiger Schritt nach vorn, damit Kirche neu werden könne. Finanzen, Strukturen und Personal der Kirche mögen zwar wichtig sein. Doch was nützten Gebäude und Strukturen, wenn kein Mensch mehr nach Gott frage?

Was nutze eine Kirche, wenn es keine Menschen gebe, die den christlichen Glauben für sich entdeckten und lebten? Sechs Fragen gibt er den Katholikinnen und Katholiken mit auf den Weg, die für den zukünftigen Weg der Kirche im Bistum Essen hilfreich sein könnten. Da geht es um die Bedeutung des christlichen Glaubens für das eigene Leben, um das nachvollziehbare und verständliche Bezeugen dieses Glaubens oder um Orte, wo Glaube erfahrbar wird. Overbeck weiter: "Wissen wir, was die Menschen heute bewegt? Wissen wir, was die jungen Menschen denken und was sie für ihr Leben suchen? Sind wir offen für diejenigen, die nur ab und zu mit uns in Verbindung treten? Sind wir als einzelne Christen erkennbar und fühlen wir uns verantwortlich, im Alltag unseren Glauben zu leben?" Eine neu werdende Kirche werde "keinen großen Apparat" mehr haben, aber aus überzeugten und überzeugenden Christinnen und Christen bestehen, denen es nicht um die Kirche als Selbstzweck gehe. "Lassen Sie uns Kirche sein für die Menschen, die zwischen Lenne und Ruhr in ihrer ganzen Vielfalt leben. Lassen Sie uns mit Ihnen Gott suchen und finden", dazu ruft der Bischof auf.

In diesen Tagen nahm Bischof Overbeck auch zur Frage der Gewalt Stellung: "Jede Religion missbraucht Gott, wenn sie in seinem Namen Gewalt anwendet", sagte er. Denn der Name Gottes heiße Friede.

"Diesen Frieden braucht jeder, damit Strukturen überwunden werden, in denen Menschen, Gesellschaften und Staaten sich wechselseitig und grundsätzlich als bedrohlich wahrnehmen", so Overbeck. Es brauche Menschen, die um der Freiheit - auch der Religionsfreiheit - willen dazu beitragen wollen, "eine friedliche Weltordnung zu schaffen, in der die Menschenrechte geachtet werden".

Gestern äußerte sich der Bischof gegenüber der RP auch zu den schrecklichen Ereignissen in Frankreich: "Der Anschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo", der zwölf Todesopfer forderte, ist barbarisch und menschenverachtend. Mit allen Mitteln müssen wir uns der Verbreitung von Hass und jeder Form von Gewalt widersetzen. Das Leben und die Würde eines jeden Menschen sind unbedingt schützenswert."

(RP)
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