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RP-Kirchenserie August Thyssen leistete Starthilfe für Liebfrauen

Duisburg · Die Rheinische Post stellt in einer Kirchenserie bedeutende Gotteshäuser in Duisburg vor. Heute: Liebfrauen in Bruckhausen.

 Ein Fachwerk aus Stahlbeton dient der unter Denkmalschutz stehenden Kirche als Grundgerüst, wie alte Bilder wie dieses eindrucksvoll zeigen.

Ein Fachwerk aus Stahlbeton dient der unter Denkmalschutz stehenden Kirche als Grundgerüst, wie alte Bilder wie dieses eindrucksvoll zeigen.

Foto: Alfons Winterseel

Als die Liebfrauenkirche in Bruckhausen unweit der Thyssen-Werkstore 1915 nach nur zweijähriger Bauzeit eingeweiht wurde, grenzte dies an ein mittleres Wunder: Seit einem Jahr tobte der Erste Weltkrieg, viele Bauarbeiter waren als Soldaten an der Front. Und so waren es am Ende Arbeiter von Thyssen und dort tätige Ingenieure, die das sakrale Bauwerk zu errichteten mithalfen.

Entworfen hatte die Liebfrauenkirche der Architekt Aloys Böll. 2000 Gläubige konnten hier Platz finden. Zu diesen Zeiten war die Größe der Kirche auch nötig. „August Thyssen benötigte Arbeitskräfte. Die Werber waren überall unterwegs“, schildert Pater Thomas von der Abtei Hamborn das Wachstum des Stadtteils Bruckhausen vor 100 Jahren. Er war zunächst von 1974 bis 1977 Kaplan an der Liebfrauenkirche und später von 1987 bis 2002 Pfarrer der Gemeinde.

 Der Kirchturm und die Außenmauern des Mittelschiffs der Liebfrauenkirche: Rechts ist das Pfarrheim zu sehen.

Der Kirchturm und die Außenmauern des Mittelschiffs der Liebfrauenkirche: Rechts ist das Pfarrheim zu sehen.

Foto: Alfons Winterseel

Steht man heute vor der Kirche mit dem mächtigen Turm, lässt sich die damalige Größe nur erahnen: Weil das Dach der Kirche große Schäden hatte und eine Reparatur unbezahlbar war, entschloss man sich Mitte der 1980er Jahre zu einem radikalen Schritt: Nach den Plänen des Oberhausener Architekten Werner Funke wurde der größte Teil des Dachs abgerissen, nur die Mauern des Mittelschiffs blieben stehen.

Aus Sicherheitsgründen war man schon im September 1984 in die Krypta gezogen, um Gottesdienste zu feiern. Im darauf folgenden Jahr musste man ins benachbarte Kettlerhaus, weil ein Rohrbruch die Krypta unter Wasser gesetzt hatte.

 Die russisch-orthodoxe Gemeinde nutzt die Liebfrauenkirche heutzutage für die Liturgie.

Die russisch-orthodoxe Gemeinde nutzt die Liebfrauenkirche heutzutage für die Liturgie.

Foto: Alfons Winterseel

Dort, wo früher zahlreiche Kirchenbänke standen, ist heute ein „Ort der Begegnung“ unter freiem Himmel. Wie Mittel- und Seitenschiffe ist auch die monumentale Sakristei längst Geschichte. Im Bereich des früheren Haupteingangs wurde das neue Pfarrheim gebaut. Die Verbundenheit zu den Thyssen-Werken ist geblieben, denn dies war auch nur durch eine Spende des Unternehmens möglich.

Auf der gegenüberliegenden Seite im Bereich des alten Chorraumes wurde nach den Funke-Plänen eine kleinere „Kirche in die Kirche“ gebaut. Hier feiert heutzutage die russisch-orthodoxe Gemeinde sonntags ihre Liturgie. Egal, wohin der Blick in der Kirche auch schweift, er trifft auf die Vergangenheit und die Verbundenheit mit Kohle und Stahl: „Die heute leicht runden Kirchenbänke wurden von einem Schreiner aus dem Holz der alten Kirchenbänke geformt, die nach dem Krieg der Gemeinde gestiftet worden waren. Der Tabernakel, ebenso der Ambo wurden von einem Künstler aus Stahl gestaltet in Erinnerung an Kohle und Stahl, die diesen Stadtteil und die Menschen darin geprägt haben“, erklärt Pater Thomas.

Dass die Kirche unter Denkmalschutz steht, hat seinen Grund in der Tatsache, dass ein Fachwerk aus Stahlbeton als Grundgerüst dient, was alte Bilder eindrucksvoll zeigen. „Für das Gebäude war es zudem notwendig ein großes Fundament zu gießen, denn hier wurde auf Fließsand gebaut“, sagt Pater Thomas.

Das Kapitell auf den Säulen der Apsis – dem halbkreisförmigen Gebäudeteil über dem Altarraum – stammen ebenfalls aus der alten Kirche. „Wenn man genau hinsieht, entdeckt man die Schäden, die durch die Bomben im Zweiten Weltkrieg verursacht wurden. Was bei den Säulen wie dunkler Marmor aussieht, ist allerdings eine Zementmischung, durch die dieser Effekt entsteht. Aus dem alten Hochaltar wurde der neue Alter geschnitten.“ 500 Gläubige kamen im Jahre 1991 hier zusammen, um nach zweijähriger Bauzeit die Kirchweihe mit dem damalige Weihbischof Grave zu feiern.

Die Veränderung in der Bevölkerungsstruktur in Bruckhausen blieb nicht ohne Auswirkung auf die katholische Kirchengemeinde. Als man in den 1970er Jahren noch von der „Flächensanierung“ sprach – Abriss eines nahezu ganzen Stadtteils, um genügend Abstand zur Industrie zu haben und dort Zulieferbetriebe für die Thyssenhütte anzusiedeln – setzte dies eine Abwanderungsbewegung in Gang, in deren Folge viele Gemeindemitglieder wegzogen, vor allem die nach dem Krieg geborene Generation. Verstärkt wurde dies durch die zunehmende Mobilität. Für viele türkische Arbeitnehmer, die in Duisburg bleiben wollten, bot sich dadurch neuer Wohnraum und ermöglichte den Familiennachzug.

Dass sich die katholische Kirche Ende der 1980er Jahre nicht aus Bruckhausen zurückzog und den Umbau der Liebfrauenkirche unterstützte, lag an Bischof Hengsbach, dem späteren Kardinal, der Direktive ausgegeben hatte: „In einem Stadtteil wie hier darf Kirche, wenn überhaupt, dann sich nur als Letzte herausziehen“, wie Pater Thomas erklärt.

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