Neuanfang Glückspilz mit einem Spenderherz

Duisburg · Bajro Trumic verlor am 31. Juli das Bewusstsein, war klinisch tot und wurde eine halbe Stunde lang reanimiert. Seine statistische Überlebenschance lag bei 20 Prozent. Heute ist der zweifache Vater voller Tatendrang und Lebensmut.

 Herzpatient Bajro Trumic hat ein neues Herz bekommen und ist nun wieder richtig fit. Oberarzt Dr. Ulrich Krüger untersucht ihn in der Herzklinik.

Herzpatient Bajro Trumic hat ein neues Herz bekommen und ist nun wieder richtig fit. Oberarzt Dr. Ulrich Krüger untersucht ihn in der Herzklinik.

Foto: crei

Das Jahr 2016 bezeichnet Bajro Trumic als sein Schicksalsjahr. Am 26. März feierte er seinen 42. Geburtstag. "Ich habe dann aber noch mindestens zwei weitere Geburtstage gefeiert", sagt der zweifache Familienvater aus Rheinberg. Hier seine Geschichte.

Bajro Trumic, der als zweijähriges Kind mit seiner Familie aus Bosnien nach Deutschland kam, war ein kräftiger, kerngesunder Mann, der gerne Fußball spielte, 1.85 Meter groß, 90 Kilogramm schwer. Vermutlich erlitt er vor rund zehn Jahren nach einer schweren Grippe eine folgenschwere Entzündung des Herzmuskels, die zu einer dauerhaften Herzschwäche führte. Die Herzerkrankung war so schwerwiegend, dass ihm 2008 ein Defibrillator implantiert wurde. Damals wurde Bajro Trumic Patient von Dr. Ulrich Krüger vom Herzzentrum Meiderich. Der Oberarzt betreut ihn bis heute. Einige Jahre konnte Bajro Trumic vergleichsweise beschwerdefrei leben. Doch seit 2015 verschlechterte sich sein Zustand. Den einst kräftigen Mann verließen oftmals die Kräfte, nach wenigen Schritten musste er pausieren, eine Treppe wurde zum Problem. Auf Anraten von Dr. Krüger ließ sich Bajro Trumic auf die Warteliste für Spenderherzen setzen, da ihm medikamentös nicht entscheidend mehr zu helfen war.

Dann kam der Juli 2016. Mit akuter Atemnot kam Bajro Trumic in die Uniklinik Düsseldorf. Er wurde auf der Warteliste für Spenderherzen, die bei der gemeinnützigen Stiftung Eurotransplant im niederländischen Leiden geführt wird, neu eingestuft: höchste Dringlichkeitsstufe, High Urgency (HU). Beim Warten auf ein Spenderherz trat das ein, was befürchtet werden musste: Am 31. Juli wurde es Bajro Trumic schwarz vor den Augen, er verlor das Bewusstsein, es kam zu einem umfassenden Organversagen, er war klinisch tot - und wurde nach einem halbstündigen Reanimationskampf der Ärzte ins Leben zurückgeholt. "Das war mein zweiter Geburtstag", sagt er heute.

Der Kampf um das Überleben des bewusstlosen Patienten ging weiter. Am 5. August entschieden sich die Ärzte dazu, ein Kunstherz zu implantieren. Bei einem so jungen Mann wie es Bajro Trumic ist, sollte ein Kunstherz nur eine Übergangslösung sein, bis ein Spenderherz gefunden ist. Allerdings können Menschen durchaus jahrelang mit einem Kunstherz leben, das genau genommen eine Herzpumpe ist, die das kranke Herz unterstützt.

Am 19. August erfuhr die Familie Trumic, dass es für Bajro ein Spenderherz gibt. Der Patient selber konnte dazu nichts sagen, da er weiterhin bewusstlos war. Im Rückblick sagt Bajro Trumic heute: "Am 19. August wurde ich zum Glückspilz der Nation. Das war mein dritter Geburtstag in diesem Jahr."

Bis Bajro Trumic von seinem "dritten Geburtstag" erfuhr, dauerte es noch einige Wochen. Erst Mitte September wachte er in der Uni-Klinik auf. Sechs Wochen lang war der Patient bewusstlos. Sein Bruder, der gerade an seinem Bett war, klärte ihn behutsam darüber auf, was geschehen war. Bajro Trumics Ehefrau, seine 16-jährige Tochter und sein neunjähriger Sohn konnten neue Hoffnung schöpfen. Die Ärzte hatten die Familie aufs Schlimmste vorbereitet: Die Überlebenschance lag nach der Reanimation am 31. Juli bei nur 20 Prozent.

Einfach war der Genesungsprozess nach dem Erwachen nicht. Durch das lange Liegen waren die Muskeln verkümmert, es kam zu Wassereinlagerungen. "Ein Bein war so dick wie jetzt meine beiden Beine zusammen." Der Patient konnte sich kaum bewegen, als er Ende September in die Herzklinik Meiderich verlegt wurde, wo man auf die Nachsorge von Transplantationspatienten spezialisiert ist. Vorsichtig konnte Bajro Trumic erste Gehversuche mit Unterstützung wagen. Zur Anschlussheilbehandlung in die Rehaklinik nach Essen-Kettwig ging es aber mit einem Liegendtransport.

Auch als er im Oktober wieder nach Hause kam, konnte Bajro Trumic noch keine langen Spaziergänge unternehmen. Doch mit großer Zähigkeit, Selbstdisziplin, viel Optimismus und auch Gottvertrauen schaffte er es, sich in kurzer Zeit wieder fit zu machen.

"Treppen und lange Spaziergänge sind für mich heute kein Problem mehr. Wettläufe mit meinem Sohn mache ich aber vorsichtshalber noch nicht", sagt Bajro Trumic. Noch nicht...

Lebenslang wird er Medikamente nehmen müssen; allerdings nicht mehr so viele wie noch vor wenigen Wochen. Auch lässt er sich regelmäßig von Dr. Koch untersuchen. Doch ansonsten kann Bajro Trumic ein ganz normales Leben führen.

Auf das neue Jahr blickt er voller Optimismus. Noch bekommt er eine Erwerbsunfähigkeitsrente, doch will der ausgebildete Kfz-Mechaniker, der auch schon als Lokführer und Kranwagenfahrer gearbeitet hat, so schnell wie möglich wieder ins Berufsleben zurückkehren. Entweder als Angestellter oder als Selbstständiger.

Bajro Trumic ist heute voller Lebensmut. Aber auch in Zeiten seiner Krankheit sei er niemals verzweifelt gewesen. "Ich habe die Krankheit hingenommen, aber ich habe alles getan, um damit klarzukommen; ich will ja auch ein Vorbild für meine Familie sein", sagt der Herzpatient. Vor allem aber sei er dem anonymen Herzspender und dessen Angehörigen sowie den Ärzten und Pflegekräften dankbar. "Denen allen verdanke ich mein Leben",sagt Bajro Trumic.

(pk)
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