Duisburg Buch über Ostjuden in Duisburg: Schicksale nach Akteneinsicht

Duisburg · Ein beeindruckendes, fesselndes, quälendes, vor allem aber überfälliges Buch hat Dr. habil. Ludger Heid geschrieben: "Ostjuden in Duisburg – Bürger, Kleinbürger, Proletarier, Geschichte einer jüdischen Minderheit im Ruhrgebiet". Gestern stellte der renommierte Duisburger Historiker und Literaturwissenschaftler, ein Spezialist der deutsch-jüdischen Geschichte, sein Werk im Jüdischen Gemeindezentrum vor. Mit der 716-Seiten-starken Untersuchung verfügt Duisburg als einzige Stadt in Deutschland nun über eine eigene Geschichte ihrer Ostjuden, deren Spuren von der Jahrhundertwende des 19. und 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart reichen.

Das Besondere an Heids Buch ist, das es zum einen wissenschaftlichen Kriterien entspricht, zum anderen aber auch menschliche Anteilnahme am Schicksal der Opfer durchklingen lässt. In den zehn großen Kapiteln werden zunächst die großen historischen Ereignisse allgemein geschildert. Dann jedoch schildert Heid an zahlreichen, auf ihre Art jeweils typischen Einzelschicksalen, wie das Terrorregime der Nazis Menschen zu Opfern gemacht hat.

Hauptquelle für Heid waren die Wiedergutmachungsakten, von denen es allein im Duisburger Stadtarchiv 6841 gibt. Diese Akten seien eine Quelle jüdischer Lebensschicksale, die noch längst nicht ausgeschöpft sei, sagte Heid gestern bei der Buchvorstellung. Anfangs durchaus unbeabsichtigt sei die Untersuchung auch zu einer Geschichte des deutschen Nachkriegs-Bürokratismus geworden. Erschütternd sei für ihn gewesen, wie hartherzig die Bürokraten die nach Duisburg zurückgekehrten, oftmals nur knapp der Ermordung durch die Nazis entkommenen jüdischen Menschen behandelten. Verräterisch sei die Sprache der Bürokraten gewesen, die ab Ende der 50er Jahre die Wiedergutmachungs-"Fälle" zu bewerten hatten.

Seit rund 30 Jahren beschäftigt sich Heid mit der deutsch-jüdischen Geschichte, und rund 30 Bücher beziehungsweise größere Publikationen hat er bislang dazu veröffentlicht. Aber noch nie habe er ein Buch "so schnell" vollendet. Die Kernarbeit habe "nur" zwei Jahre gedauert. Das Buch habe sich nach dem Studium der Akten "fast von alleine geschrieben". Bei seinen Besuchen im Stadtarchiv habe er stets einen Laptop mitgenommen – und im Geiste seine Leser, denen er anschaulich zeigen wollte, was nun schwarz auf weiß geschrieben steht.

Dank der Förderung von verschiedener Seite kostet das im Essener Klartext-Verlag erschienene Buch trotz seines Umfangs nur 39,95 Euro. Es ist im Buchhandel erhältlich. – Am Donnerstag, 30. Juni, 20 Uhr, stellt Heid sein Buch in der Zentralbibliothek vor.

(RP)
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