Im Gespräch mit Miriam Koch "Wir sind nicht nur für Flüchtlinge zuständig"

Düsseldorf · Die 51-Jährige leitet das "Amt für Migration und Integration" und spricht über Flüchtlinge, Wohnungsnot in Düsseldorf, darüber, wie man Obdachlosen hilft - und warum sie Besuch von Reichsbürgern bekommt.

 Miriam Koch im neuen Servicepoint an der Willi-Becker-Allee. Er wurde neu eingerichtet, um die Kommunale Ausländerbehörde zu entlasten.

Miriam Koch im neuen Servicepoint an der Willi-Becker-Allee. Er wurde neu eingerichtet, um die Kommunale Ausländerbehörde zu entlasten.

Foto: Andreas Bretz

Hinter Miriam Koch liegt viel Arbeit: Seit der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 war sie als Flüchtlingsbeauftragte der Stadt im Dauereinsatz. Seit Anfang des Jahres leitet sie nun das neue "Amt für Migration und Integration". Zu tun gibt es trotz sinkender Flüchtlingszahlen noch einiges.

Frau Koch, seit Januar leiten Sie das neue "Amt für Migration und Integration" bei der Stadt. Wie läuft es?

Koch Es läuft gut. Ich habe jetzt die üblichen Verwaltungsarbeiten hinter mir, wir haben etwa Gespräche für die Stellenpläne 2019 geführt und über den nächsten Haushaltsentwurf gesprochen. Gleichzeitig habe ich mich schon intensiv damit beschäftigt, wie dieses neue Amt aufgestellt werden soll. Vor allem muss unsere Kommunale Ausländerbehörde umstrukturiert werden.

Eine Neuerung haben wir schon eingeführt: Gegenüber unserem Haus haben wir den neuen Servicepoint eingerichtet. Dort kommen nun alle Menschen ohne einen Termin hin und bekommen Hilfe. Die Ausländerbehörde war vorher ein totaler Bienenstock, wir haben da jeden Tag etwa 400 Vorsprachen mit und ohne Termin.

Sie haben bekanntgegeben, dass der "Runde Tisch Asyl", an dem Sie sich ausgetauscht haben, vorerst eingestellt ist. Aktuell leben knapp 5300 Flüchtlinge in Düsseldorf, zur Hochphase waren es fast 8000. Braucht Ihr Amt diese Plattform nicht mehr?

Koch Wir haben in diesem Amt ja etwas zusammengeführt, was es schon gab, nämlich die Kommunale Ausländerbehörde und die Abteilung 4, die zuständig ist für die Leistung und Unterbringung, nicht nur für Geflüchtete, sondern auch für Obdachlose. Und das verlieren viele aus dem Blick: Wir sind nicht nur für Flüchtlinge zuständig. Das Amt für Migration und Integration kümmert sich um alle Menschen ohne deutschen Pass in Düsseldorf, und das sind über 140.000. Die kommen her, weil sie hier arbeiten oder studieren wollen. Und wir haben darüber hinaus noch die Aufgabe, die über 1000 Düsseldorfer Obdachlosen unterzubringen und zu beraten.

Was genau tun Sie denn, um den Menschen ohne Wohnung zu helfen?

Koch Für diejenigen, die obdachlos werden, hat die Stadt 1500 Plätze in Unterkünften geschaffen, um diese Menschen unterzubringen. Das organisiert unser Amt, und das ist ein schwieriges Thema in Düsseldorf mit dem so angespannten Wohnungsmarkt. Es fehlen tausende bezahlbare Wohnungen, vor allem in der richtigen Größe, also in der Regel eben kleinere Wohnungen für Alleinstehende. Auch große Wohnungen für große Familien werden benötigt.

Wie kann man mehr Unterbringungsmöglichkeiten schaffen?

Koch Uns helfen die Unterkünfte, die wir für die Flüchtlinge gebaut und saniert haben. Da haben wir begonnen, sie wo es geht umzuwidmen. Die Zahl der Obdachlosen steigt, und unsere 1500 Plätze sind fast vollständig belegt, wir brauchen in der nächsten Zeit neue Kapazitäten. Dazu braucht es neue Projekte. An der Heyestraße haben wir zum Beispiel vor, eine alte Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge abzureißen und das Grundstück zu einem Wohnungsbauprojekt zu entwickeln.

Die Stadt hat ja auch Container zur Flüchtlingsunterbringung angeschafft. Was passiert mit denen?

Koch Den ersten Schwung dieser Modulbauten hatten wir gemietet, dafür laufen 2020 und 2021 die Mietverträge aus. Wenn die Zahlen weiter so rückläufig sind wie jetzt, benötigen wir sie dann nicht mehr. Weitere Anlagen haben wir gekauft, zwei davon sind in Holzbauweise, das heißt, sie können mit einfachen Umbauten in Wohnungen umgewandelt werden. Wir planen insgesamt, 500 Unterbringungsplätze in der Stadt dauerhaft vorzuhalten, um auf wieder ansteigende Zahlen reagieren zu können

Was ist denn mit den Flüchtlingen, die hier bleiben dürfen: Was macht die Stadt, um denen zu helfen? Wo kommt zum Beispiel eine vierköpfige Familie unter?

Koch Das war unser großes Problem: Eigentlich dürfen die Menschen in den Unterkünften nur bleiben, wenn sie noch keinen Aufenthaltsstatus haben. Wir hatten aber immer mehr anerkannte Flüchtlinge, die aus den Unterkünften nicht ausziehen konnten, weil sie keine bezahlbare Wohnung in Düsseldorf gefunden haben. Und sie können ja nicht weg: Sie haben eine Wohnsitzauflage, können nur hier suchen. Diese Menschen schmeißen wir natürlich nicht aus den Unterkünften raus, sie dürfen gegen eine Gebühr bleiben. Allerdings hatten wir im letzten Jahr mehr Auszüge, als wir gedacht hätten.

Ich denke, das hat mit unserer guten Öffentlichkeitsarbeit zu tun, weil wir mit Wohnungsgesellschaften und privaten Vermietern darüber gesprochen haben, was da für Menschen bei ihnen einziehen. Und wir haben eine Stelle im Wohnungsamt, die konkret für diese Fälle zuständig ist und vermittelt. Bei den Obdachlosen wird das schwieriger, auch wenn das Thema mittlerweile immer präsenter wird. Ich hoffe, dass wir da genauso Hemmschwellen vor dieser Klientel abbauen können.

Als 2015 die vielen Flüchtlinge kamen, war das Engagement in der Bürgerschaft groß. Dann kam die Kölner Silvesternacht, die Stimmung hat sich im Land verändert. Wie erleben Sie das in Düsseldorf?

Koch Die Kölner Silvesternacht war auf jeden Fall eine Zäsur. Aber insgesamt würde ich nach wie vor auch für Düsseldorf sagen, dass das ehrenamtliche Engagement zwar zurückgegangen ist, aber immer noch groß ist. Die Stimmung in der Stadt ist ruhig und entspannt. Düsseldorf war schließlich auch immer schon eine internationale Stadt.

Stichwort "internationale Stadt": Sie kümmern sich ja auch um das Thema Einbürgerung.

Koch Genau, wir haben im letzten Jahr über 1400 Personen eingebürgert. Der Trend hält nach wie vor an, dass Menschen, die eine längere Zeit hier gelebt haben, irgendwann auch deutscher Staatsbürger werden wollen. Und es geht auch andersrum: Immer wieder kommen auch diese so genannten Reichsbürger zu uns, die die deutsche Staatsangehörigkeit in Frage stellen und hierzu entsprechende Verwaltungsverfahren anstoßen wollen.

Im Jahr 2015 sind Sie Flüchtlingsbeauftragte für Düsseldorf geworden und haben seither viel gesehen und gehört. Was hat das mit Ihnen persönlich gemacht?

Koch Es ist wichtig, das alles an sich heranzulassen: die guten wie die schlechten Geschichten. Man braucht natürlich eine gewisse persönliche Stabilität für diese Arbeit. Ich habe ein hohes Maß an Empathie für Menschen und merke, seit ich in das Thema Flüchtlingsarbeit eingestiegen bin: Ich bin genau an der richtigen Stelle.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE LAURA IHME.

(RP)
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