Campus der Universität Neues Heinrich-Heine-Denkmal für Düsseldorf

Düsseldorf · Der Bildhauer Bert Gerresheim schuf das neue Denkmal auf dem Campus der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Am Dienstag wird das vier Meter große, begehbare Bronze-Objekt enthüllt. Das Kunstwerk würdigt den Kämpfer Heinrich Heine. Es soll den Dichter und dessen Werk in all seinen Facetten abbilden.

 Künstler Bert Gerresheim (rechts) und Uni-Rektor Hans Michael Piper bei der Aufstellung des Heine-Denkmals.

Künstler Bert Gerresheim (rechts) und Uni-Rektor Hans Michael Piper bei der Aufstellung des Heine-Denkmals.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Das Atelier von Bert Gerresheim ist ein Ort der Ruhe. Der langgestreckte helle Raum liegt in einem Hinterhof in Oberbilk, von der Hektik auf der Hüttenstraße ist nichts zu spüren. Es läuft eine CD mit Kompositionen von Chopin. Auf einem Schreibtisch liegen die Memoiren Heinrich Heines, unter einer Werkplatte lagert die Düsseldorfer Ausgabe der Werke Heines. Von diesem Dichter kommt der 77-jährige Gerresheim nicht los, die Objekte auf den Regalbrettern künden davon: Heines Totenmaske, die von Gerresheim gestaltete Ehrengabe der Heine-Gesellschaft, eine Miniatur von Gerresheims Heine am Düsseldorfer Schwanenmarkt.

In der kommenden Woche — am Dienstag — wird eine weitere Arbeit Gerresheims enthüllt, die den Dichter zum Thema hat. Vor dem Roy-Lichtenstein-Saal auf dem Campus der Düsseldorfer Uni installieren Arbeiter zurzeit den Bronze-Guss. Er ist vier Meter hoch, an die drei Tonnen schwer und begehbar; man kann ihn erklimmen, sich hineinbegeben in die poetische Landschaft namens Heine.

Gerresheim steht in seinem Atelier vor einem Entwurf des Denkmals. Er zitiert den Publizisten Fritz J. Raddatz: "Heine ist ein Plural." Er sei ein Symbol für die Gespaltenheit der Moderne, er irritiere und verletze. Eben deshalb liegt der Dichter dem Bildhauer so am Herzen: "Ich bevorzuge gefährdete Existenzen." Gerresheim lächelt.

Das Denkmal zeigt ein stehendes, aufgeklapptes Buch. Auf dem Umschlag vorne ist das Antlitz des jungen Heine aus der Zeit der Arbeit am "Buch der Lieder" wiedergegeben. Auf der Rückseite wird die Jugend gekontert durch das Gesicht des alten Mannes. In der Mitte liegt eine Buchseite, aus der die Silhouette Heines geschnitten wurde. Durch sie schaut man auf ein Blatt mit einem langen Zitat, die ersten Verse lauten: "Das Leben ist weder Zweck noch Mittel / Das Leben ist ein Recht". Das Buch neigt sich zur Seite, es steht auf einer Schere: Heine litt unter der Zensur. Neben dem Buch liegt eine Schelle, es ist die Narrenschelle, ein Bezug auf den "Narr des Glücks", wie Heine sich selbst bezeichnete. Der Standort wurde danach ausgewählt, dass mittags die Sonne auf die Silhouette des Gesichts fällt und sich so der Abdruck eines Lichtbilds auf der Zitatseite ergibt.

Warum noch ein Heine-Denkmal auf dem Uni-Gelände?, mag sich mancher fragen. Vor der Bibliothek gibt es doch bereits eines. Lutz Aengevelt ist die Frage schon mehrfach gestellt worden. Er, sein Bruder Wulff und die Rheinische Post Mediengruppe sind die Sponsoren des Projekts. Lutz Aengevelt fing bereits als 16-Jähriger Feuer für Heine. Noch heute trägt der Immobilienmakler in seinem Jagd-Rucksack die zerfledderte Ausgabe mit sich, die ihn einst zu Lieblingsgedichten wie den "Grenadieren" von 1816 führte. Die Verbundenheit brachte ihn binnen Sekunden auf eine Idee. "Es ist fünf Jahre her, da ging ich zufällig mit dem damaligen Uni-Rektor Alfons Labisch über den Campus. Ich sah die Heine-Statue vor der Bibliothek und wusste: Sie zeigt Heine im Alter von 21 Jahren. Damals wurde ihm in Göttingen der Zugang zur Promotion verwehrt, der Grund war sein Judentum. Heine hat es damals zerrissen, daher wird er händeringend, dünn und nachdenklich dargestellt. So war er aber nicht immer." Darin stimmten Aengevelt und Labisch überein. Aengevelt sagte spontan: "Ich schenke ihnen einen umfassenden Heine."

Aengevelt wollte, dass Bert Gerresheim das Kunstwerk gestaltet. Er sollte beginnen, wenn die Gremien der Uni das Geschenk akzeptieren. Danach sprach Lutz Aengevelt mit Meinungsmachern und Heine-Kennern, vor allem mit seinem Bruder Wulff sowie mit Karl Hans Arnold von der Rheinische Post Mediengruppe. 2009 präsentierte der Bildhauer allen Beteiligten — darunter der neue Uni-Rektor Hans Michael Piper — seine Pläne. Die Metallgießerei Schmäke lieferte handwerkliche Tipps und die Bronze, Joseph A. Kruse, damals Leiter des Heine-Institus, half bei der Auswahl der Zitate. Und es zeigte sich, dass das Denkmal zur Herzensangelegenheit wurde, ein Freundschaftprojekt über die Gegenwart hinaus. "Heine ist mir zuerst in der Küche meiner Mutter begegnet", erzählt Gerresheim. "Das ,Buch der Lieder' lag dort, es waren die 40er Jahre, und wir lasen daraus, weil das jemand geschrieben hatte, der auch mit Widerständen zurechtkommen musste. Wenn es an der Tür klingelte, legten wir den Band in die Schublade und hängten das Hitler-Bild auf. Heine war Überlebensstütze."

Warum vergingen drei Jahre vom Entwurf bis zur Übergabe? Ein Unfall verzögerte die Arbeit am Denkmal: Gerresheim stürzte. Er fuhr Fahrrad, eine unaufmerksame Autofahrerin öffnete die Tür ihres Wagens, Gerresheim fiel hin, brach sich die Schulter. Aengevelt erinnert sich an den Moment, als er die Nachricht bekam, sein Freund liege im Krankenhaus, sei eben operiert wurden, Titannägel steckten nun in seinem Arm. Er rief sofort auf der Station an, und es kam zu einem denkwürdigen Dialog. Aengevelt: "Wie geht es dir?" — Gerresheim: "Christus hatte drei Nägel, ich habe 13." — Aengevelt: "Kannst du arbeiten?" — Gerresheim: "Nein."

Zu jener Zeit war nicht klar, ob Gerresheim überhaupt je wieder einen Hammer heben kann. Doch er genas rasch. Wer diese Geschichte hört, erinnert sich an Gerresheims Ausdruck: Überlebensstütze. Vielleicht ist es das, was ihn zurückkehren lässt zu diesem Dichter. Gerresheim möchte das Pulsierende im Werk Heines bewahren, das Lebendige seines Wesens. Der Bildhauer, der mit Günter Grass bei Otto Pankok an der Kunstakademie in Düsseldorf studierte, wirkt zufrieden. Nächste Woche wird sein Werk enthüllt. Was es bewirken mag? Gerresheim schweigt. Licht. Ruhe. Chopin. Dann sagt er: "Dass Tausende Studenten mit seiner Hilfe eine Formel für ihr Leben finden."

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