Interview Heinz Strunk „Man darf das Prekariat nicht RTL 2 überlassen“

Düsseldorf · Der Schriftsteller hat jetzt erstmals einen Band mit Erzählungen veröffentlicht. Aus „Das Teemännchen“ wird er im Zakk lesen.

Heinz Strunk ist vieles: Schriftsteller und Musiker, Schauspieler und Journalist. Jetzt hat der 56-Jährige ein neues Betätigungsfeld entdeckt: Mit „Das Teemännchen“ ist sein Debüt mit Erzählungen erschienen. Und zu den ersten Vorlese-Orten, an denen er sein Buch präsentiert, wird das Zakk gehören.

Über welchen Zeitraum sind diese kleineren und größeren Erzählungen entstanden?

Strunk Ich würde mal sagen: zwei Jahre. Das Schöne an kurzen Texten ist ja, dass die Freude und die Motivation bei der Arbeit viel größer sind als bei einem 300-Seiten-Roman, an dem man erst lange und mühsam herumfeilen muss.

Wie sind die Geschichten entstanden? Manche per Zufall?

Strunk Ich mache eigentlich nie etwas nur mal so ohne Absicht oder Plan. Es war für mich von Anfang an klar, einen Band mit Erzählungen zu schreiben, weil ich so etwas einfach immer mal machen wollte.

Manche Geschichte dauert nur eine halbe Seite. Ist dafür auch Disziplin nötig?

Strunk Das ist zwangsläufig so. Manches bleibt dann einfach fragmentarisch. Nun komme ich ja von der kurzen Form – aus der Musik nämlich. Mich interessiert das Konzentrieren viel mehr als das Fabulieren. Für mich sind manche Romanautoren einfach zu selbstverliebt mit ihren unendlichen Betrachtungen. Thomas Bernhard hat mal gesagt, dass es unsinnig sei, die Natur zu beschreiben, weil die Natur ja jeder kennt.

Ist Thomas Bernhard ein Vorbild für Sie?

Strunk Eine Geistesverwandtschaft verspüre ich eher zu Botho Strauß; vor einiger Zeit habe ich mal einen Band mit seinen Kurzgeschichten und Kurztexten herausgegeben. Was die Kurzform angeht, ist Botho Strauß einer meiner vielleicht geistigen Väter.

Wann ist eine Geschichte eigentlich fertig?

Strunk Für mich ist es wichtig, wenn es am Ende – wenn schon keine Pointe – wenigstens einen pointierten Satz oder eine überraschende Wendung gibt. Daran war mir wirklich gelegen. Die Geschichte mit dem Windrad etwa endet mit dem Gedanken, dass der Mann, der da am Windrad hängt, einfach vergessen hatte, warum er da hängt. In aller Bescheidenheit: Das ist für diese grausige Geschichte ein ganz guter Schluss. Das Ende ergibt sich irgendwie aus einer inneren Notwendigkeit heraus. Wann eine Geschichte wirklich zu Ende ist, sagt die Geschichte dem Autor. Ich versuche mir immer vorzustellen, dass jede Geschichte eigentlich schon längst geschrieben ist und ich nur das ausführende Organ bin.

Fußen viele Geschichten auf eigenen Beobachtungen?

Strunk Ich habe tatsächlich nur zwei Geschichten so erlebt, dass ich sie in Ich-Form hätte schreiben können – unter anderem die DDR-Episode „Jenny Müller“. Die habe ich fast zu 90 Prozent so erlebt. Die meisten Geschichten fußen zumindest auf Beobachtungen. Aber wenn man die aufschreibt, muss man letztlich ja eine Geschichte daraus machen. Da haben sich dann zwei Textarten ergeben: Geschichten mit mehr oder weniger fatalen Lebensläufen und phantastischer Geschichten. Wobei ich dem Leser kein Prekariat vorstelle, keine Freaks – was mir manchmal vorgeworfen wird. Das empfinde ich gar nicht so. Zum einen darf man das Prekariat nicht RTL 2 überlassen, zum anderen schildere ich Menschen mit sehr durchschnittlichen, unauffälligen Lebensläufen, die aber tragisch enden können.

Wobei ich bei etlichen Geschichten den Eindruck hatte, dass viele Figuren auf ihrem Lebensweg einfach nur mal falsch abgebogen sind.

Strunk Wir alle kennen das aus unserem Leben – das fatale Hängenbleiben in nicht guten Lebenssituationen, nur aus Angst davor, dass jede Änderung eine Verschlechterung bedeuten könnte. Also macht man lieber einfach weiter, wohlwissend, dass es einem kein Glück bescheren wird. Das gilt besonders fürs private Leben.

Sind Sie in Ihrem Leben bisher mutiger gewesen?

Strunk Mein Leben besteht – was alles Berufliche angeht – fast zu 100 Prozent aus Learning by doing. Ich habe mir das alles selbst angeeignet. Und obwohl ich kein besonders mutiger Mensch bin, habe ich mich immer den Herausforderung gestellt. Sehr oft bin ich dafür auch belohnt worden.

Fühlen Sie sich befreit, wenn Sie eine finstere Geschichte geschrieben haben?

Strunk Ich glaube nicht an die Idee des therapeutischen Schreibens. Selbst in dem autobiografisch gefärbten Buch „Fleisch ist mein Gemüse“ habe ich das nicht so empfunden.

Haben Sie Rituale des Schreibens?

Strunk Nö. Ich halte mich da an den Satz von Philip Roth: Amateure brauchen Inspiration, Profis setzten sich hin und arbeiten. Ich habe in meinem Leben oft seriell arbeiten müssen, und diese Arbeitsmoral versuche ich auch auf meine schriftstellerische Tätigkeit zu übertragen.

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