Düsseldorf Für 24 Stunden ins schwüle New York

Düsseldorf · Wenn im Garten der Robert-Schumann-Hochschule junge Damen olle Schürzen tragen und Vokalisen trällernde Männer mit jüdischer Kippa herumlaufen, dann kann es nicht mehr weit sein bis zur Premiere.

 Probe in der Musikhochschule für Kurt Weills "Street Scene". Im Vordergrund Professor Thomas Gabrisch am Pult.

Probe in der Musikhochschule für Kurt Weills "Street Scene". Im Vordergrund Professor Thomas Gabrisch am Pult.

Foto: RSH / Susanne Diesner

Die Opernklasse steht unter Hochspannung, gut 40 Studierende fiebern den sechs Aufführungen von "Street Scene" entgegen, und auch auf der Bühne steht die Hitze. Das Make-up ist noch etwas dicker aufgetragen als sonst, eine junge Dame im Parkett, die im ersten Akt noch nichts zu tun hat, steht in einem blaugestreiften Leinenkleid mit der Kostümbildnerin zusammen, die zur Generalprobe einen beigen Lackgürtel anpasst.

Und da wählt auch schon Professor Thomas Gabrisch den passenden Taktstock aus dem Köcher, das Licht geht aus im Partika-Saal an der Fischerstraße - und mit einem süßlich-dissonanten Akkord des versammelten Hochschulorchesters beginnt die Ouvertüre.

Mit "Street Scene" geht ein fast vergessenes, erst in den letzten Jahren aus der Versenkung aufgetauchtes Werk Kurt Weills zur Aufführung, dessen "Dreigroschenoper" nebst Schwesterwerken zum deutschen Bildungskanon zählen. Mit "Street Scene" ist der amerikanische Weill zu hören (und zu sehen), der von der deutschen Kritik (auch der Düsseldorfer Erstaufführung) verpönte "Broadway-Kompositeur".

Und die Musik ist ganz schön fetzig, musicalmäßig rhythmisch, tanzbar, harmonisch schwül wie die Atmosphäre in dieser Straße, die für eine Nacht und einen Tag unter einem musikalischen Brennglas betrachtet das Leben im Schmelztiegel New York der 50er Jahre bedeutet. Ein wunderbarer Clash der Kulturen, auch musikalisch.

"Ich darf das erste Mal auf der Bühne ausprobieren, ein ganzes Leben in meine Rolle zu legen", schwärmt Maren Schäfer, die in der Premiere die Mrs. Maurrant singen wird, eine jugendlich-dramatische Sopranpartie. "Das ist das Fach, wo's für mich hingeht", sagt die 27-Jährige aus Darmstadt, die ihren Bachelor an der Berliner Hochschule der Künste machte und in Düsseldorf das zweite von vier Master-Semestern absolviert. Sie wollte in die Jarnot-Klasse, jetzt hat sie eine der fünf großen Partien. Ähnlich geht es Dino Lüthy, der aus Basel an den Niederrhein wechselte. Der Tenor verkörpert bei Weill den Sam, einen jugendlichen Liebhaber.

"Natürlich muss ich auch am Schluss des zweiten Aktes, bei meiner großen Szene, ganz bei der Stimme sein. Wenn du in die Emotion gehst, geht's schief." Mit kühlem Kopf dahinschmelzen. Seine Erfahrung wird er mitnehmen ins Berufsleben, das vielleicht schon bald beginnt. Denn die jährliche Hochschul-Produktion ist auch eine Art Schaulaufen der Besten vor einem teilweise professionellen Publikum. Wie zur Generalprobe Rheinoper-Intendant Professor Christoph Meyer, so kommen immer auch Agenten und Theaterleiter in die sechs Vorstellungen.

Opernklasse-Chef Thomas Gabrisch sieht die jährliche Opern-Aufführung, die immer auch mit Unterstützung der Profis von der Rheinoper (Regie, Technik, Bühnenbild, Maske) ermöglicht wird, als Sprungbrett. "Bei ganz vielen Studenten beobachten wir einen regelrechten Entwicklungssprung, wenn sie in den neun, zehn Wochen intensiven Arbeitens ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten an sich erleben", sagt er. Fast die ganze Opernklasse ist zu diesem Projekt versammelt, das mit dem Casting im Oktober begonnen und den Semesterferien seine erste heiße Phase erlebt hat.

Jetzt muss alles klappen: Schwitzende Tratschweiber in deutsch-englischem Kauderwelsch, ein Bass schüttelt ein Baby, ein Italiener hat Eis mitgebracht. Bühne, Licht, Tanz, Musik. Heiß und kalt.

(RP)
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