Interview Stefan Prill "Essen ist das neue Feiern"

Düsseldorf · Der Geschäftsführer des "Stahlwerk" spricht über verändertes Ausgehverhalten, neue kulinarische Großveranstaltungen und den verkanntesten Stadtteil Düsseldorfs: Lierenfeld.

 Stefan Prill hat die Zielgruppe der Foodies für sich entdeckt, Menschen, die an gutem Essen interessiert sind, aber nicht unbedingt ins Sterne-Restaurant gehen wollen.

Stefan Prill hat die Zielgruppe der Foodies für sich entdeckt, Menschen, die an gutem Essen interessiert sind, aber nicht unbedingt ins Sterne-Restaurant gehen wollen.

Foto: Andreas Bretz

Bisher war eine sehr anständige Pizza, die man bis tief in die Nacht bei den Partys bestellen konnte, der kulinarische Höhepunkt im "Stahlwerk". Nun gibt es mehr als ein Dutzend Großveranstaltungen rund ums Essen. Was ist da passiert?

Stefan Prill Wir haben im März vor zwei Jahren besprochen, ob für uns die Zukunft wirklich in Partys und dem ein oder anderen Konzert liegen oder ob wir sie anders sichern wollen und müssen. Den Ausschlag hat dann ein Gänseessen gegeben.

Wie das?

Prill Ich war Stammgast beim Gänseessen in der legendären Brauerei Möhker. Als ich dort erfuhr, dass die Brauerei schließt und es 2014 keine Gänseessen mehr geben wird, habe ich mich kurzfristig entschlossen, das Essen bei uns in der Halle auszurichten. Erst bin ich belächelt worden für die Idee, dann haben wir in zwei Tagen 600 Plätze verkauft - und das ohne Werbung.

Was hat diese Erfahrung ausgelöst?

Prill Zunächst mal die Erkenntnis, dass sich etwas Grundlegendes verändert hat: Essen ist das neue Feiern. Die Leute wollen gutes Essen, guten Wein genießen, sich gut unterhalten und dann vielleicht noch ein bisschen tanzen. So ist unser Konzept für den Club 134 entstanden. Ab dem 8. Mai werden wir immer freitags ein Pop-up-Restaurant im Haus haben. Und im Club in der ersten Etage kann parallel getanzt und gefeiert werden.

Gibt es diese Entwicklung an anderen Orten auch?

Prill Absolut. Wenn Sie nach New York, London, Stockholm oder Berlin gucken, sehen Sie, dass Street Food ein ganz großes Thema ist, und die Festivals mit vielen Food-Trucks geradezu überrannt werden. So erging es uns bei unserem ersten Street-Food-Festival im März auch, so erhoffen wir es uns nun für den Street-Food-Thursday, den wir nach internationalem Vorbild diese Woche einführen.

Street-Food-Festivals erstaunen den Neuling zunächst einmal. Da stehen Menschen an, zahlen dann Eintritt, um wieder anzustehen und sich an Food-Trucks etwas Kleines zu essen zu holen. Warum machen Menschen so etwas?

Prill Ehrlich gesagt, weiß ich es auch nicht. Aber ich finde es großartig. Denn es zeigt, dass wir etwas anbieten, das den Leuten gefällt. Der Eintritt hat übrigens einen ganz simplen Grund: Die technische Infrastruktur für so ein Festival ist sehr aufwendig, deshalb müssen wir einen kleinen Eintritt nehmen.

Welche Zielgruppe haben Sie damit im Visier?

prill Den Foodie, also Menschen, die sich für gutes Essen interessieren, aber nicht unbedingt ins Sterne-Restaurant gehen wollen. Menschen, die neugierig sind auf kulinarische Experimente, auf Gerichte aus anderen Ländern und den direkten Austausch mit dem Koch bei der Arbeit.

Wo war diese Zielgruppe bisher?

Prill Irgendwo zwischen dem Club kochender Männer und einem Sushikurs.

Was bedeuten die von Ihnen beschriebenen Veränderungen für die anderen Formen des Ausgehens, für die Clubszene und die Konzerte?

Prill Ich denke, die Clubszene hat in Düsseldorf an vielen Stellen ein großes Manko. Leute glauben, sie könnten mal eben so einen Club aufmachen und viel Geld verdienen. Dabei ist es ein hartes Geschäft, in dem man gut wirtschaften und ein Gespür dafür haben muss, was die Leute wollen. Die echten Düsseldorfer wollen nicht arrogant oder schlecht behandelt werden. Wenn jemand versucht, künstlich einen Hype um sich zu erzeugen, hält er sich nicht lange. Deshalb gibt es kaum eine stabile Clubszene in Düsseldorf.

Und wie sieht es bei den Konzerten aus?

Prill Da befindet sich Düsseldorf in einer schlechten geografischen Lage - zwischen Köln und dem Ruhrgebiet. In Köln sitzen die Plattenfirmen und TV-Sender, deshalb finden dort viele Konzerte statt. Bis zum nächsten Veranstaltungsort muss es einen gewissen Abstand geben, damit man genug Publikum findet. Da bietet sich Oberhausen mehr an als Düsseldorf.

Ist Düsseldorf dann wenigstens für kleine, feine Konzerte gut?

Prill Eigentlich leider auch nicht. Die Leute gehen nicht mehr wie früher irgendwohin, wo zwei, drei Bands für ein paar Euro Eintritt spielen - jedenfalls, wenn sie die Bands nicht kennen. Es gibt nur eine Ausnahme: den "Pitcher" an der Oberbilker Allee. Da hat sich ein kleiner Laden in Friedrichstadt zu einer ganz wichtigen Adresse für Rock, Metal und Punk entwickelt und sich ein ganz treues Publikum erarbeitet. Was dort geschafft wurde, davor habe ich ganz, ganz großen Respekt.

Welche Lokale haben das, was der "Pitcher" für den Rock'n'Roll bedeutet, in anderer Hinsicht geschafft?

Prill Da kann ich leider wenige nennen. Die Anaconda-Lounge in der Altstadt ist eine der Ausnahmen. Sie hat sich als Bar für elektronische Musik und gute Cocktails über viele Jahre etabliert. Einfach, weil der Betreiber seinen Job versteht, gut macht und authentisch ist.

Wird das Stahlwerk denn so eine Adresse für Konzerte bleiben, wie Sie sie gerade beschrieben haben?

Prill Nicht mehr im bisherigen Maße. Wir haben das Konzertprogramm deutlich runtergefahren und auf die Traditionstermine wie Guildo Horns Weihnachtskonzert oder die jährliche Show von Porno al forno reduziert.

Was verbirgt sich hinter dem Konzept Surf'n'Turf, das im Juni als eine der Veranstaltungen an die Stelle der Konzerte tritt?

Prill Wir wollen eine Börse für Fisch- und Fleischfreunde starten. Die Gäste suchen sich ein gutes Stück aus, gehen zu einem der Köche, der ihnen weitere Produkte empfiehlt, die es in der Halle gibt, und so entsteht im Austausch für jeden ein eigenes Gericht. Drum herum wird auch viel geredet, etwa mit einem Winzer, den wir einladen, oder am Smoker.

Welche Wirkung haben die neuen Veranstaltungen und die neuen Zielgruppen auf Lierenfeld?

Prill Lierenfeld ist eines der verkanntesten Viertel Düsseldorfs. Einst haben die Industriellen von hier in der Nähe Erholungsgebiete geschaffen, etwa den Volksgarten, jetzt wandeln sich die alten Industriebrachen zu Kultur- und Genussstätten. Lierenfeld hat das Glück, dass es keine Schönheit ist, deshalb wird hier nichts abgerissen und deshalb wird es hier auch keinen Immobilien-Hype geben. Wir müssen alle Entwicklungen hier also selber anschieben. Wir sind ein kleines gallisches Dorf im Herzen der Stadt - mehr denn je.

CHRISTIAN HERRENDORF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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