Millionen-Umsatz für Congress Centrum So viel kostet der Loveparade-Prozess in Düsseldorf

Düsseldorf · Seit 102 Verhandlungstagen versucht das Duisburger Landgericht zu klären, wen die Schuld am Loveparade-Unglück trifft. Ein mühsamer Prozess – und ob das Ergebnis die Menschen befriedigt, ist nicht sicher. Klar ist nur: Die Suche nach Gerechtigkeit ist sehr, sehr teuer.

Prozessbeteiligte des Loveparade-Prozess warten im Gerichtsaal auf den Beginn der Verhandlung.

Prozessbeteiligte des Loveparade-Prozess warten im Gerichtsaal auf den Beginn der Verhandlung.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Der Justizwachtmeister vor der Rolltreppe läuft eine Acht. Und noch eine. Und noch eine. Ein kleiner Spaziergang auf der Stelle. Hinter ihm fährt eine Rolltreppe in den ersten Stock des Congress Centers an der Messe. Daneben fährt eine in Gegenrichtung. Das Geräusch, das sie dabei machen, liegt irgendwo zwischen Surren und Rauschen. Ein Dutzend Justizwachtmeister tummeln sich im Foyer, bewachen die Sicherheitsschleusen, den Treppenaufgang, die Rolltreppe. Ab und zu wechseln sie ein paar Worte. Hinter dem Tresen der Gepäckabgabe sitzen zwei junge Frauen und unterhalten sich leise. Sonst herrscht Stille. Stillstand.

Oben läuft der 102. Verhandlungstag im Mammutprozess vor dem Landgericht Duisburg um die tragischen Geschehnisse am 24. Juli 2010. Das Loveparade-Unglück in Duisburg: Damals kamen 21 Menschen zu Tode, über 500 wurden verletzt. Über 50.000 Seiten umfasste die Hauptakte zu Prozessbeginn, hinzu kamen 1000 Leitz-Ordner mit ergänzendem Material. Es werden nicht weniger geworden sein. Seit Dezember 2017 wird im Congress Center verhandelt. Am vergangenen Mittwoch wurde das Verfahren gegen sieben Personen eingestellt. Nun stehen noch drei Mitarbeiter des Loveparade-Veranstalters vor Gericht. Auch sie hätten einer Einstellung zustimmen können, hätten dann allerdings eine Geldbuße zahlen müssen. Das wollten sie nicht. So geht der Prozess nun weiter.

Vier Sicherheitsschleusen sind ständig bemannt, um Besucher einzulassen.

Vier Sicherheitsschleusen sind ständig bemannt, um Besucher einzulassen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

An diesem 102. Verhandlungstag vernimmt das Gericht einen Polizisten. Er leitete während der Loveparade den „Raumschutz West“, einen der drei Einsatzabschnitte der Polizei. Den Abschnitt, in der wohl auch die Engstelle lag, an der das Menschengedränge ein tödliches Maß erreichte. Es ist bittere Ironie, dass im über 750 Quadratmeter großen Verhandlungssaal mehr als genug Platz ist. Theoretisch fänden hier 300 Zuhörer und Pressevertreter Platz. An diesem Dienstagmittag sind zehn Zuschauer und drei Journalisten gekommen. Voll ist es nur auf der Richter- und auf der Anklagebank.

 Im Pressezentrum können mehrere Dutzend Journalisten aktuell produzieren.

Im Pressezentrum können mehrere Dutzend Journalisten aktuell produzieren.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

An manchen Tagen – wie beispielsweise vergangenen Mittwoch – ist hier immer noch volles Haus. Für diese Tage ist alles ausgelegt: das Personal, die Schleusen, die Sitzplätze. Normal ist aber, dass kaum einer kommt. Bis Ende April hat das Duisburger Landgericht den Kongress-Saal gebucht. 29.000 Euro kostet das täglich. Dafür bekommt das Gericht die volle Ausstattung inklusive Brandschutz, Notarzt, Pförtner, Aufenthaltscontainer für das Justizpersonal und zwanzig Technikern, die dafür sorgen, dass alles funktioniert: Mikrofonie, Videokameras, Saallicht. Gemessen an der Ausstattung der meisten Gerichtssääle findet diese Verhandlung unter sehr, sehr komfortablen Umständen statt. Die Saalmiete plus Personalkosten für Richter, Staatsanwälte, Protokollanten und Justizwachtmeister zahlt das Land NRW – sprich: der Steuerzahler. Bis heute sind knapp drei Millionen Euro aufgelaufen – Umsatz für Düsseldorf Congress. Wie viel Gewinn das Unternehmen am Ende mit dem Verfahren macht, will die Stadttochter nicht sagen. Presse-Statements überlasse man dem Gericht, heißt es. Die eigentlichen Verfahrenskosten dagegen tragen die Angeklagten – sollten sie verurteilt werden. Teuer sind vor allem die umfangreichen Gutachten der Sachverständigen, dazu kommen Sitzungsgelder, Reisekosten und andere Auslagen.

Um 11.17 Uhr geht ein Gong. „Die Sitzung ist bis 11.35 Uhr unterbrochen“, sagt eine Männerstimme. Kaffeepause. Langsam tröpfeln sie die Rolltreppe hinunter, die Zuschauer, Anwälte, Richter. Sie haben Brotdosen dabei, beißen in mitgebrachte Gebäckstücke, telefonieren, gehen rauchen, auf die Toilette, holen sich einen Kaffee in der improvisierten Kantine. Kurz kommt Leben ins Foyer. Knapp zwanzig Minuten später ist alles wieder vorbei. Gong. Fortsetzung der Hauptverhandlung. „Hatten Sie Bedenken, was die Veranstaltung betrifft?“, fragt der Vorsitzende Richter den Polizisten. „Daran habe ich keine Erinnerung“, sagt der Polizist. „Hatten Sie unmittelbar vor Beginn des Einsatzes Bedenken?“, fragt der Vorsitzende. „Man macht sich jedes Mal Gedanken“, sagt der Polizist. „In diesem Fall hatte ich Sorge wegen einer möglichen unkoordinierten Abreise.“ Er macht eine Pause. „Ansonsten haben wir auf den Programmablauf vertraut und dass alles halbwegs glatt läuft.“

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