Tsv Bayer Dormagen Die Leiden eines Handball-Trainers

Dormagen · 21 Zweitligaspiele hat Jörg Bohrmann als Trainer des TSV Bayer Dormagen bestritten, zwei Drittel davon haben seine Schützlinge verloren. Anspannung und Belastung sind nicht spurlos an dem früheren Bundesligaprofi vorbeigegangen.

 Die erste Saisonhälfte in der 2. Handball-Bundesliga ist nicht spurlos am Trainer des TSV Bayer Dormagen vorbeigegangen: "Am Essen liegt es nicht, dass mein Mann so dünn geworden ist", sagt Michaela Bohrmann über Ehemann Jörg.

Die erste Saisonhälfte in der 2. Handball-Bundesliga ist nicht spurlos am Trainer des TSV Bayer Dormagen vorbeigegangen: "Am Essen liegt es nicht, dass mein Mann so dünn geworden ist", sagt Michaela Bohrmann über Ehemann Jörg.

Foto: HJZ

Mitunter genügen ein paar Monate, um Jahre zu altern. Jörg Bohrmann macht gerade eine solche Lebensphase durch. Anspannung und Belastung aus den ersten viereinhalb Monaten als Trainer eines Handball-Zweitligisten sind nicht spurlos an dem 46 Jahre alten Ex-Bundesligaprofi vorbeigegangen.

Schmal ist er geworden im Gesicht, das die stets optimistische hessische Frohnatur immer seltener verrät. Ehefrau Michaela nimmt die Sache (noch) mit Humor: "Am Essen liegt es nicht, dass mein Mann so dünn geworden ist . . ." Bohrmann selbst spricht immer öfter von der "wahnsinnigen Belastung", die der Kampf um den Verbleib in der Zweiten Liga mit einer weitgehend unerfahrenen Mannschaft für ihn bedeutet. Aufgeben kommt für den Linkshänder, der zu seiner aktiven Zeit mit dem TV Niederwürzbach Deutscher Vizemeister und EHF-Europapokalsieger wurde, außerdem bei der SG Wallau-Massenheim und dem TuS Nettelstedt Erstliga-Erfahrung sammelte, nicht in Frage: "Dass es schwer werden würde, war uns allen doch vorher klar", sagt Bohrmann.

Dass das angesichts der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel gewagte Unternehmen Zweite Liga - der TSV Bayer Dormagen verfügt mit rund einer halben Million Euro über den kleinsten Etat aller 20 Zweitligisten - auch ihn so viel Kraft kosten würde, hat ihn dann aber doch ein wenig überrascht. Niederlagen kamen in seiner (Dormagener) Trainerlaufbahn zuvor nur am Rande vor: Die B-Jugend führte er 2012 zum Deutschen Meistertitel, danach die Senioren zwei Mal auf Platz eins der Abschlusstabelle in der Dritten Liga West. Sieben Niederlagen gab es in den beiden Spielzeiten zusammen, jetzt sind es doppelt so viele nach gerade mal 21 Begegnungen. "Das Schlimmste ist, dass du draußen stehst und machtlos bist", sagt Bohrmann rückblickend auf solche Debakel wie das 16:33 bei der DJK Rimpar, die bislang höchste Saisonschlappe am zweiten Weihnachtsfeiertag.

Und das in zweierlei Hinsicht: Machtlos, weil er nicht korrigierend eingreifen kann, wenn seine Schützlinge mal wieder das Tor nicht treffen. Und machtlos, weil er auf den Schlüsselpositionen des Spiels, denen im Rückraum, kaum Wechselalternativen besitzt. "Ich hätte eigentlich frische Leute einwechseln müssen, aber als ich mich auf der Bank umgeschaut habe, habe ich mich gefragt: Wen denn?" berichtete Bohrmann nach dem 29:28-Sieg am Sonntagabend über den TV Neuhausen, bei dem die Dormagener aufgrund nachlassender Kräfte einen 20:12-Vorsprung beinahe noch aus der Hand gegeben hätten.

Darum, und weil fraglich ist, ob Dennis Marquardt, der Kapitän und Abwehrchef, mit seiner lädierten Schulter bis zum Neustart am 8. Februar gegen den Tabellennachbarn und Mitaufsteiger SV Henstedt-Ulzburg wieder fit ist, überlegen sie am Höhenberg, den Kader während der WM-Pause noch einmal zu verstärken. Was aus zwei Gründen nicht so einfach ist: Erstens "müssen wir einen neuen Spieler bezahlen können, ohne uns zu verschulden", sagt Jobst Wierich als Sprecher des Wirtschaftsbeirates. Zweitens "müssen wir einen Spieler finden, der zu uns und in unser Konzept passt", sagt der Trainer. Der auch sagt: "Die aktuelle Mannschaft plus Simon Ernst und Moritz Preuss - da ständen wir ganz anders da."

Doch auch ohne die zu den Erstligisten VfL Gummersbach und Bergischer HC abgewanderten Junioren-Nationalspieler ist mit Blick auf die Tabelle noch nichts Entscheidendes passiert. Vom ersten Nicht-Abstiegsplatz (16.) trennt den Neuling nur das schlechtere Torverhältnis, bis zu Rang zwölf, auf dem mit Erstliga-Absteiger TV Emsdetten die Zone der abstiegsgefährdeten Klubs beginnt, sind es gerade mal vier Punkte. Doch während am Tabellenende Eintracht Baunatal und TV Hüttenberg angesichts von acht beziehungsweise fünf Zählern Rückstand auf den TSV langsam den Anschluss zu verlieren scheinen, haben TuSEM Essen und Eintracht Hildesheim ebenfalls den Kontakt zum unteren Mittelfeld hergestellt.

So sieht es derzeit danach aus, als ob sieben Klubs, die gerade mal vier Punkte auseinander liegen, die restlichen beiden Absteiger unter sich ausmachen werden."Wer weiß, wie die anderen in der Pause noch personell nachlegen," orakelt Bohrmann. Da wäre eine Verstärkung eine sinnvolle Investition - auch, damit der Trainer bald wieder zu Kräften kommt.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort