Dormagen BvA-Gymnasium führt 67,5-Minuten-Stunde ein

Dormagen · Auch in der Hermann-Gmeiner-Schule und in der Sekundarschule dauert die Schulstunde schon länger: Dort sind es 60 statt 45 Minuten.

Dass sein im Oktober 1911 verkündeter Beschluss so lange Bestand haben würde, das hätte August von Trott zu Solz wahrscheinlich selber nicht geglaubt. Der preußische Kultusminister rief vor mehr als 100 Jahren die 45-minütige Unterrichtsstunde aus, und bis heute folgt die Mehrheit der Bildungsanstalten dieser Maßgabe. Doch eine Selbstverständlichkeit ist das nicht mehr - auch in Dormagen nicht. An der auslaufenden Hermann-Gmeiner-Hauptschule und an der neuen Sekundarschule wird im 60-Minuten-Rhythmus gelernt. Noch eine andere Variante erprobt zurzeit das Bettina-von-Arnim-Gymnasium (BvA): Seit Beginn des neuen Schuljahres gibt es dort das 67,5-Minuten-Modell.

"Dahinter steht die Überzeugung, dass eine moderne Unterrichtsform mehr Zeit braucht", sagt Schulleiter Theodor Lindner zum Hintergrund der Umstellung am BvA. Da der klassische Frontalunterricht längst von Einheiten mit wechselnden methodischen Lehrformen abgelöst worden ist, "hat es oft in die wichtigste Phase des Unterrichts reingegongt, weil die Stunde vorbei war", erklärt Lindner. Zusammenfassung, Reflexion und Transfer des Lernstoffs seien zu kurz gekommen. Mit dieser Erkenntnis im Kopf habe man sich in den vergangenen rund zweieinhalb Jahren intensiv mit verschiedenen Zeitmodellen beschäftigt und sich bei anderen Gymnasien über deren Erfahrungen informiert, berichtet der Schulleiter. Einen 60-Minuten-Takt finde er auch gut, didaktisch sei das kein großer Unterschied. Dass man sich am BvA für die 67,5 Minuten entschieden habe, basiere auf zwei Überlegungen: "Zum einen ist eine Unterrichtseinheit dann genau 50 Prozent länger als zuvor, zum anderen konnten wir damit organisatorisch gut aus drei kurzen zwei längere Stunden machen", erläutert Lindner. Wobei es am BvA streng genommen nicht die "krummen" 67,5 Minuten pro Stunde sind, sondern 135 Minuten für zwei Stunden veranschlagt sind - aufgeteilt auf jeweils 70 Minuten für die erste und 65 Minuten für die zweite Stunde im Doppelblock.

"Das Thema Entschleunigung spielt bei dem Projekt auch eine wichtige Rolle", sagt Lindner. "Wir wollten weniger Bewegung und weniger Geräusch an unserer Schule." Sein Eindruck nach den ersten drei Wochen: Weil es seltener Klassenwechsel gebe, sei es nun ruhiger am BvA, es gehe insgesamt gelassener zu. Auch das Läuten des Gongs sei aus diesem Grund reduziert worden. Und noch einen positiven Nebeneffekt sieht Lindner: Weil es am Tag weniger Fächer gibt, werden sie Taschen der Schüler leichter, da sie weniger Bücher mitnehmen müssen. Der Bewertung des Experiments durch die Schulkonferenz will Lindner nicht vorgreifen. Voraussichtlich Ende des Jahres wird diese darüber entscheiden, ob die probeweise Umstellung der Zeittaktung des Unterrichts in eine dauerhafte umgewandelt wird. Eine Prognose wagt der Schulleiter aber doch: "Ich glaube nicht, dass wir wieder auf die alten Zeiten zurückgehen müssen."

(NGZ)
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