Voerde Bauen gegen die Flut: Deiche müssen saniert werden

Voerde · In dem tollen Sommer verblassen die Bilder der Flutkatastrophe an der Elbe. Nicht so am Niederrhein. Die Deichverbände geben bei der Sanierung Gas, fühlen sich aber ausgebremst.

Hochwasserschutz in Voerde
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Hochwasser - wie abwegig ist dieser Gedanke an diesem sonnigen Sommertag: Menschen genießen auf der Terrasse mit Blick auf den Rhein Kaffee und Kuchen.

Der Strom fließt träge dahin. Aber Ingo Hülser denkt doch an Hochwasser. Er spricht über den Deich, der mitten durch das Dorf Götterswickerhamm läuft, dass auch dieser Abschnitt saniert werden muss.

Der Deich zerschneidet das Dorf am Rhein im Kreis Wesel, oben drüber läuft die Straße. Und mit der Sanierung muss er noch höher werden. Zehn Meter müsste der Rheinpegel dann steigen, um über die Deichkrone zu schwappen. Hülser kann sich das kaum vorstellen: "Dann müsste schon der ganze Niederrhein absaufen." Aber er hat die Bilder von brechenden Deichen vom Hochwasser an Elbe und in Bayern im Kopf. "So eine extreme Wetterlage mit viel Regen kann uns auch treffen."

Mobile Spundwände wie in Köln waren auch schon mal in der Diskussion. Aber Götterswickerhamm ist eben nicht Köln. Zuviel Logistik für den kleinen Verband mit Ehrenamtlern. Der Deichverband Mehrum hat sich für eine Hochwasserschutzmauer direkt am Rheinufer entschieden, dann könnte der alte Deich aus dem Ort verschwinden.

Auch wenn es kritische Stimmen gibt - massive Proteste erwartet Hülser nicht. Kritisiert wird vielmehr das Land, das die direkten Zuschüsse zur Sanierung von 40 auf 30 Millionen Euro kürzen will.

Es soll aber auch 20 Millionen für ein Kreditprogramm mit langer Laufzeit und zinsfreien Zeiten geben. "Das ist ein ganz falsches Signal", meint Hülser aber. Bisher mussten die Grundstückseigentümer in den Risikogebieten 20 Prozent der Kosten selber zahlen, das könnte dann mehr werden.

"Wir sind relativ weit im Hochwasserschutz", stellt ein Sprecher des NRW-Umweltministeriums fest und verweist unter anderem auf drei neue Rückhalteräume. Nach einer Bestandsanalyse aus dem vergangenen Jahr müssen in Nordrhein-Westfalen noch 73 von 320 Deichkilometer saniert werden und 37 Kilometer Deich gehören noch auf den Prüfstand.

Das sind noch unerledigte Aufgaben aus dem Hochwasserschutzkonzept 2006. Die "möglichst schnelle Sanierung" der Deiche zählt die rot-grüne Landesregierung zu den wichtigsten Aufgaben im Hochwasserschutz.

Mit "schnell" ist das für Holger Friedrich so eine Sache. Er ist Geschäftsführer des größten Deichverbands in Nordrhein-Westfalen in Emmerich am Niederrhein. 1990 machten die Behörden den damals noch örtlichen Einzelverbänden Dampf und forderten sie auf, ihre Deiche auf Vordermann zu bringen. Eilbedarf!

Ende der 90er Jahre reichten die Verbände ihre Planungen ein, umzugskistenweise. Sie stellten Anträge auf Planfeststellung. Die Hälfte liege noch immer da, unerledigt. "Die Pläne sind mittlerweile veraltet und müssen überarbeitet werden. Und einige Deichanlieger, mit denen Absprachen getroffen wurden, leben längst nicht mehr", sagt Friedrich. Der Verband will bauen und kann nicht.

"Ich will nicht sagen, dass unsere Deiche gleich beim nächsten Hochwasser zusammenfallen", sagt er. Aber mulmig ist ihm schon beim Gedanken an mögliche Konsequenzen. 70 000 Menschen auf einem Gebiet von 230 Quadratkilometern könnten bei einem extremen Hochwasser mit Deichbruch richtig Probleme bekommen: "Das Gebiet ist wie ein flacher Teller, ohne jede Erhebung, das läuft dann voll", sagt der Geschäftsführer des 2007 gegründeten Verbands Bislich-Landesgrenze.

Beim Thema Hochwasser werde immer nach Köln geguckt. Die Menschen am Niederrhein hätten den gleichen Anspruch wie etwa die Kölner oder Düsseldorfer. "Das sind keine Menschen zweiter Klasse."

Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) hatte unlängst im Landtag von einem "Genehmigungsproblem" gesprochen. Die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf habe zu wenig Leute. Eine hinterlassene Altlast.

Die Landesregierung wolle alle Beteiligten Ende des Jahres einladen, um die Genehmigung voranzutreiben. Die Landesregierung arbeitet nach eigenen Angaben mit den Beteiligten auch an einem neuen Fahrplan für die Deichsanierung. Erste Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen.

(lnw)
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