Eine Physiotherapeutin berichtet „Wir hatten keinen Anspruch auf Hygieneartikel“

Tönisvorst · Britta Hartmann leitet den Trainingsbereich einer Physiotherapiepraxis. Statt Fitnessübungen bestand ihr Alltag zuletzt aus Terminplanung und Hygienekonzepten. Nun soll es bereits am Montag wieder losgehen – kann das funktionieren?

 Physiotherapeutin Britta Hartmann vm Physioteam Winz aus Tönisvorst.

Physiotherapeutin Britta Hartmann vm Physioteam Winz aus Tönisvorst.

Foto: Britta Hartmann

Zum Lockdown Mitte März hatten wir mit einer großen Absageflut zu kämpfen. Da ging es bei unseren Dauerpatienten teilweise um 20 bis 30 Termine über einen Zeitraum von mehreren Wochen. Wir brauchten also erstmal ein Konzept und mussten viele Arbeitsstunden investieren, um diese Absagen zu bewältigen. Eigentlich haben wir immer so viel zu tun, dass es eine lange Warteliste gibt, plötzlich fielen 40 Prozent unserer Termine aus.

Hinzu kam, dass unser Trainingsbereich komplett geschlossen werden musste – für die Selbstzahler, aber auch für unsere Patienten. Das hat uns in unserer Arbeitsweise stark eingeschränkt und natürlich haben wir auch eine Menge Geld verloren. Diese ersten Wochen waren echt extrem.

Dann ging es darum, die Praxis mit den wichtigen Hygieneartikeln aufzurüsten. Da gab es nur ein Problem: Die Artikel, die wir nach den genormten Standards benötigten, waren bei unseren Lieferanten alle nicht vorrätig. Und auch bei anderen Lieferanten wurden zunächst die Krankenhäuser vorgezogen, sodass wir als Physiotherapie-Praxis gar keinen Anspruch auf solche Artikel hatten. Aber anders konnten wir ja gar nicht arbeiten. Wir befinden uns immer im direkten Kontakt mit den Menschen und brauchen Desinfektionsmittel und Handschuhe.

Das wurde dann zu meiner Aufgabe: Eigentlich leite ich ja den Trainingsbereich. Momentan bin ich aber für die Beschaffung von Informationen und vor allem Hygieneartikeln zuständig. Und da gab es durch die Auflagen einiges zu tun. Wir haben sehr viele Stunden damit verbracht, Lieferanten zu suchen und haben jetzt diverse Zulieferer. Auch wenn für viele Artikel der Preis enorm gestiegen ist, haben wir jetzt ein super Hygiene- und Sicherheitskonzept in der Praxis und sind bereit für Montag: genügend Einmalhandtücher, Mülleimer mit Deckel in jedem Raum, ausreichend Desinfektionsmittel, Mundschutz für unsere Therapeuten und Patienten, Spuckschutz an unserer Empfangstheke, Handschuhe – da wo sie genutzt werden können, weil sie bei vielen Anwendungen keinen Sinn ergeben. Den Wartebereich haben wir auseinander gezogen, sodass sich die Patienten nicht direkt begegnen.

Praxis und Trainingsbereich sind bestens darauf vorbereitet, am Montag wieder zu öffnen. Allerdings hatten wir gehofft, mit diesem Konzept, das wir bereits vor einigen Wochen aufgestellt haben, schon eher den Betrieb wieder aufnehmen zu können. Bereits am 23. April haben wir der Stadt einen kompletten Hygieneplan vorgelegt, um den Trainingsbereich zumindest für unsere Patienten nutzen zu können. Die Kommunikation war aber leider eine Katastrophe. Es gab keinen wirklichen Ansprechpartner für uns, wir wurden hin und her verbunden und immer wieder vertröstet.

Auch jetzt wissen wir nach der Entscheidung des Landes NRW noch nicht genau, unter welchen Voraussetzungen der Betrieb am Montag wieder aufgenommen werden kann. Wir gehen aber davon aus, dass wir mit unserem Sicherheitskonzept problemlos alle Anforderungen erfüllen werden.

Das wird auch höchste Zeit, damit unsere Mitglieder wieder richtig trainieren können. Wir haben natürlich Trainingsvideos zur Verfügung gestellt, das ist aber eigentlich gegen unsere Ansprüche. Ich kann als Trainerin so nicht garantieren, dass die Übungen richtig ausgeführt werden und die Belastung stimmt. Ich sehe unsere Patienten und Kunden ja nicht und kann die Durchführung nicht kontrollieren und korrigieren. Deshalb bin ich froh, dass es am Montag hoffentlich wieder losgehen kann.

(Protokolliert von Sebastian Kalenberg)

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