Wahl in Nordrhein-Westfalen und die Folgen 56 Landtagsabgeordnete mehr kosten Bürger Millionen

Düsseldorf · Der neugewählte nordrhein-westfälische Landtag ist wesentlich größer als sein Vorgänger. Dies kann den Steuerzahler pro Jahr leicht einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Die sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate sind eine Folge des guten Abschneidens vieler SPD-Direktkandidaten.

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Das Wahlergebnis vom Sonntag dürfte die Bürger teuer zu stehen kommen. Denn statt 181 Abgeordnete wie bisher ziehen in Kürze 237 Politiker in den Landtag ein. "Schuld" daran ist das Wahlsystem mit Erst- und Zweitstimme. Die SPD hat mit den Erststimmen landesweit 99 Direktmandate erobert. Das sind 23 mehr, als ihr aufgrund der Zweitstimmen eigentlich zustehen. Sie darf diese "Überhangmandate" aber behalten.

Damit dadurch die Kräfteverhältnisse im Landtag nicht verschoben werden, bekommen die übrigen vier Fraktionen — CDU, Grüne, FDP und Piraten — sogenannte Ausgleichsmandate, und zwar insgesamt 33. Dadurch erhöht sich die Zahl der Abgeordneten von 181 um 56 (23 plus 33) auf 237.

Jeder Abgeordnete bekommt monatliche Diäten von derzeit 10 726 Euro brutto im Monat, von denen 2114 Euro sogleich an die Altersversorgung abgeführt werden. Die 56 zusätzlichen Abgeordneten schlagen demnach mit zusätzlichen Ausgaben von 7,2 Millionen Euro jährlich zu Buche. Noch nicht berücksichtigt ist dabei die für Sommer vorgesehene Anhebung der Abgeordnetenbezüge.

Hinzu kommt: Jeder Abgeordnete hat Anspruch auf ein Büro und kann einen oder mehrere Mitarbeiter beschäftigen. Die Lohnkosten von insgesamt höchstens 3700 Euro im Monat übernimmt der Landtag — also der Steuerzahler. Bei 56 zusätzlichen Politikern ergeben sich dadurch Mehrkosten von bis zu 2,4 Millionen Euro pro Jahr.

Der Bezug der Büros ist für die Abgeordneten ebenso kostenfrei wie die Nutzung der Büro-Infrastruktur (Telefon, Kopierer). Die Politiker haben freie Fahrt mit der Bahn und bekommen in Ausnahmefällen Flugkosten erstattet.

Die Fraktionen, also die Gesamtheit der Abgeordneten einer Partei, erhalten für ihre Mitarbeiter (Sekretärin, Pressesprecher) einen Zuschuss. Im Jahr gibt das Land dafür elf Millionen Euro aus. Ob angesichts der plötzlichen Fülle von Abgeordneten die Fraktionspauschalen erhöht werden, ist noch unklar.

Zurzeit wird der Sitzungssaal des Landtags (Plenarsaal) umgerüstet, so dass zur konstituierenden Sitzung am 31. Mai auch tatsächlich alle 237 Politiker dort Platz finden. Dazu werden Polsterstühle, die vor Jahren überzählig geworden waren und deshalb eingelagert wurden, wieder im Plenarsaal montiert.

Das Ganze ist allerdings nur ein Provisorium. Während der Sommerpause soll der Plenarsaal behindertengerecht umgebaut werden, ein neues Belüftungssystem erhalten und Bodenschienen für variable Sitzplatzgestaltung erhalten. Die Kosten werden von Landtagssprecher Hans Zinnkann mit 3,8 Millionen Euro angegeben. Kopfzerbrechen bereitet ihm derzeit die Bereitstellung von Büros, obwohl dies eigentlich kein Problem sein sollte. Denn in früheren Jahren (bis 1995) hatte der Landtag sogar 239 Abgeordnete, also zwei mehr als jetzt. Außerdem gab es damals noch nicht den Anbau, der Platz für 90 Büros bietet, und die Personalstärke der Landtagsverwaltung war deutlich größer als heute.

Und dennoch soll es nicht genügend Platz geben? Der Ausdehnungsdrang der Fraktionen scheint im Laufe der Jahre enorme Ausmaße angenommen zu haben. Es komme jetzt darauf an, sie zum räumlichen Rückzug zu bewegen, heißt es. Zinnkann schwant gleichwohl: "Es wird eng."

Und dann ist da noch die Frage des Landtagspräsidiums. Wie viele Stellvertreter braucht der Landtagspräsident? Eckhard Uhlenberg (CDU) hatte deren vier: je einen von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei. Insider behaupten allerdings, dass eine solche Vielzahl kaum zu rechtfertigen sei. Zwei, höchstens drei Stellvertreter seien vom Arbeitspensum her vollkommen ausreichend.

Allerdings war nach der Landtagswahl 2010 entschieden worden, auch der neu in den Landtag eingezogenen Linkspartei einen Vizeposten anzubieten. Die Linke wollte ursprünglich auf den Dienstwagen verzichten, doch Vizepräsidentin Gunhild Böth ließ sich dann doch gerne chauffieren. Versuche, für die vier Vizepräsidenten einen Fahrer- und Fahrzeugpool einzurichten, scheiterten am Wunsch, über ein eigenes Dienstfahrzeug verfügen zu können.

Die Kosten sind nicht unbeträchtlich. Der Präsident des Landtags bekommt eine halbe Diät zusätzlich, seine vier Stellvertreter jeweils 25 Prozent. Mit Sekretärin, Fahrer und Dienstwagen (Audi oder BMW) entstünden zusätzliche Kosten von bis zu 200 000 Euro im Jahr pro Vizepräsident, rechnen Kritiker vor.

Den Spekulationen, dass sich die Piratenpartei, die jetzt erstmals in den Landtag einzieht, diesen Begehrlichkeiten versagen könnte, bereiteten die Neulinge umgehend ein Ende: "Wir erheben Anspruch auf alles, was geht." Es sieht also danach aus, dass die mutmaßlich neue Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) wie ihr Vorgänger Uhlenberg vier Stellvertreter haben wird.

(RP/csi)
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