NRW-Landtagswahl 2017 Pressestimmen zur NRW-Landtagswahl
Rheinische Post:"Minus 14 Prozentpunkte für SPD und Grüne. Fast 12 Prozentpunkte plus für CDU und FDP. So klar wurde selten eine Landesregierung aus dem Amt gefegt. Vor allem die SPD und ihre einst als Kanzlerkandidatin gehandelte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft müssen sich diese Niederlage anheften. Die SPD erreichte in ihrer Herzkammer, in ihrem Stammland ihr schlechtestes Ergebnis seit 1947. Selbst bei der vorgezogenen Wahl 2005, als Tausende gegen die SPD und die Schrödersche Agenda-Politik auf die Straßen gingen und sich eine neue linke Partei bildete, erreichte die NRW-SPD noch 37 Prozent. Der angebliche Amtsbonus von Frau Kraft, die im Wahlkampf alles auf ihre Person zuschnitt und sich Einmischungen verbat, wurde zum Malus. Kraft agierte selbstherrlich, schob Kritik schnippisch beiseite und tat so, als laufe alles gut. Was für eine Fehleinschätzung! 230.000 Wähler liefen alleine von der SPD zur CDU über."
Frankfurter Allgemeine Zeitung:"Die Bundesrepublik gilt im europäischen, ja im weltweiten Vergleich als eines der stabilsten und am besten regierten Länder. Nordrhein-Westfalen hingegen ist auf fast allen Politikfeldern noch weiter zurückgefallen – und das gerade dort, wo der Bund wenig bis nichts zu bestellen hat. Ob Bildungspolitik oder innere Sicherheit, ob Arbeitsmarkt- oder Verkehrspolitik – kein Flächenland wurde über Jahre hinweg so unter Wert regiert wie das zwischen Rhein und Weser."
Express:"Aber vor allem hat das Team um Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ganz offensichtlich die Stimmung in der Bevölkerung unterschätzt. Verkehr, Bildung, Sicherheit – hierfür konnte die rot-grüne Koalition keine glaubhaften Konzepte präsentieren oder gar Zeichen setzen. Das Festhalten am alles andere als souverän agierenden Innenminister Ralf Jäger dürfte sein Übriges zum schlechtesten Ergebnis der SPD seit Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen beigetragen haben."
Spiegel-Online:"Martin Schulz braucht jetzt ein Wunder: Schulz-Effekt? War da was? So belebend die Euphorie für eine Weile in der SPD war, so weh tut den Genossen jetzt der Absturz. Plötzlich herrscht eine ganz andere Dynamik, ein Sieg im Herbst bei der Bundestagswahl - vor ein paar Wochen noch greifbar - scheint auf einmal so weit weg wie Nordkorea von der Demokratie. Wo soll jetzt im Bund noch die Wechselstimmung herkommen? [...]
[...] Die Kanzlerin dagegen kann gelassen dem 24. September entgehensehen. Drei Landtagswahlen gewonnen, in den bundesweiten Umfragen der SPD wieder davongezogen - es läuft für Merkel und die CDU. Und, schöner Nebeneffekt aus Sicht der Parteichefin: Mit Armin Laschet gewinnt in NRW einer, der in der Flüchtlingskrise loyal an ihrer Seite stand."
Kölner Stadt-Anzeiger:"Dagegen verfing das Konzept der SPD nicht, ihrer schlechten Regierungsbilanz die Wohlfühl-Kampagne "NRWIR" entgegenzusetzen. Den Wählern war offenbar bewusst, dass es um den Standort NRW nicht gut bestellt ist. Das peinliche Hin und Her in der Schulpolitik, die Pannen in der Kölner Silvesternacht und im Fall Amri, die marode Infrastruktur und das schwache Wirtschaftswachstum wogen schwerer als Krafts Amtsbonus und ihre immer noch höheren persönlichen Beliebtheitswerte. Laschet hat einen langen Atem bewiesen, galt schon unter dem damaligen CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers als "Kronprinz". Jetzt ist er am Ziel und steht vor der Machtübernahme in der Staatskanzlei."
Süddeutsche Zeitung:"So brutal ist ein kurzer süßer Frühling noch nie von einem eiskalten Herbst abgelöst worden. Gerade mal vier Wochen ist es her, da lag die SPD in Umfragen noch deutlich vor den Christdemokraten. Jetzt landet sie hinter ihnen - und ihre eigentlich ziemlich beliebte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat verloren. Diese Niederlage ist total. Und sie trifft die Sozialdemokratie in ganz Deutschland."
Tagesspiegel:"Im Deutschen Bundestag wäre ein Oppositionsführer namens Christian Lindner ganz bestimmt eine Bereicherung – so, wie auch Sahra Wagenknecht von der Linken mit ähnlicher politischer Brillanz eine Bereicherung ist. Es ist eine herausragende Leistung, eine totgesagte Partei aus der außerparlamentarischen Opposition wieder soweit zu führen, dass sie ernsthafte Chancen hat, wieder in den Bundestag einzuziehen. Es ist auch eine herausragende Leistung, im wichtigsten Bundesland ein vermutlich zweistelliges Ergebnis einzufahren und damit die Chance im September nochmals zu vergrößern. Ebenso ist es eine Leistung, zuvor die internen Parteikriege befriedet, die Inhalte sortiert und neu priorisiert zu haben und dabei meist fröhlich zu sein, ohne albern zu wirken. Der eigentliche Sieger der NRW-Wahl heißt deshalb: Christian Lindner."
Handelsblatt:"In einem Land, das nahezu Vollbeschäftigung hat, in dem die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs weiter steigt und es keine bedrohliche Altersarmut gibt, verfängt die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit nicht. Die große Mehrheit der Bundesbürger sieht sich nicht als Wohlstandsverlierer. Sie macht sich jedoch ernste Sorgen, ob und wie die nach Deutschland eingewanderten Flüchtlinge in den nächsten Jahren integriert werden können und wie der Wohlstand im digitalen Zeitalter gesichert werden kann. Auf diese drängenden Fragen hat der Kanzlerkandidat bisher keine oder nur vage Antworten geliefert. Ein fataler Fehler."
Die Welt: "Als wäre es nicht schlimm genug, dass dem Innen- und Wirtschaftsminister mehrere Patzer unterliefen, kamen auch noch die Ungeschicklichkeiten der grünen Vizeministerpräsidentin und Bildungsideologin dazu. Das war des Mauen einfach zu viel."
Bild: "Der Bürgermeister von Würselen war an Rhein und Ruhr kein Zugpferd, die Bundeskanzlerin aus Berlin schon. [...] In NRW haben die Bürger vor allem ihrer rot-grünen Landesregierung fristlos gekündigt. Der schlechten Arbeit wegen. Landesmutti Kraft hat sich eben nicht genug gekümmert. Nicht um Bildung, nicht um Sicherheit, nicht um Wohlstand."
Heute.de: "Die Wähler haben SPD und Grüne vor allem aus landespolitischen Gründen abgewählt: Staus, Bildungspolitik, das große Thema Innere Sicherheit. Dafür haben Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann die rote Karte kassiert. Zu viel Gekümmere und zu wenig Können – mit Rot-Grün blieb NRW unter seinen Möglichkeiten. Davon hat Merkels Mann Armin Laschet profitiert. Die Wähler haben vor allem aber die Kanzlerin gestärkt, die Beständigkeit in weltpolitischen Krisen verspricht."
Berliner Zeitung:"Tatsächlich sah Schulz, als er der frisch zurückgetretenen Hannelore Kraft zum Abschied leise dankte, selbst so aus, als würde er es ihr jede Sekunde gleich tun. Nur geht das als Kanzlerkandidat ja nicht so recht. Und es wäre auch voreilig. Denn dass der Traum geplatzt war, der Schulz-Boom könne die SPD mit wachsendem Schwung vom Saarland über Schleswig-Holstein und NRW, von Wahlsieg zu Wahlsieg, ins Kanzleramt tragen, war ja schon vor dieser Wahl klar. Er war aber ohnehin nur von der SPD selbst geträumt worden."
WDR.de:"Es ist ein politisches Erdbeben. Die SPD erleidet in ihrer Herzkammer den Infarkt. Noch nie haben Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen ein so schlechtes Ergebnis eingefahren. Die Grünen können froh sein, überhaupt noch im Landtag zu sitzen. Das politische NRW ist ein völlig anderes geworden. Warum haben die Wähler SPD und Grüne derart abgestraft? Die schnelle Antwort: Rot-Grün hat die Quittung bekommen für eine schlechte Regierungsbilanz."
Tagesschau.de:"Diagnose: Kammerflimmern. Das hört niemand gern. Auch nicht die SPD. Aber man kann es drehen und wenden, wie man will: Die SPD-Kampagne zur Bundestagswahl steht nach der bitteren Niederlage in NRW still, bevor sie richtig angefangen hat. Der Schock sitzt verständlicherweise tief, das zeigen die ersten Reaktionen der SPD-Spitze. Kein Wunder. Im Januar war Euphorie, im März sah es noch gut aus - und jetzt: Intensivstation. Wer nun einwendet, Landtagswahl sei Landtagswahl, NRW nicht mehr als ein Test und bis zur Kanzlerwahl im September noch viel Zeit - der liegt daneben."
Westdeutsche Allgemeine Zeitung:"Laschet und seine Partei feiern einen Triumph von historischer Dimension und verursachen ein politisches Erdbeben in Deutschland. Denn von NRW gehen auch eindeutige Signale Richtung Bundestagswahl im Herbst aus. Während bei der Union im Land und in Berlin die Korken knallen, stürzt das schlechteste NRW-Ergebnis der Nachkriegsgeschichte die Sozialdemokraten in eine bundesweite Depression, die sich zu einer existenziellen Krise auswachsen kann."