Wahlparty in Düsseldorf FDP singt: "Oh, wie ist das schön"

Düsseldorf · Das Festival des Christian Lindner: Die Liberalen feiern an diesem Abend im Ambiente des schicken Düsseldorfer Medienhafens eine Wahlparty mit viel Jubel, reichlich Trubel und gesungenen Ovationen für den Spitzenkandidaten. Guido Westerwelle feierte mit.

Mai 2012: Liberale feiern Lindners Wahltriumph
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Wenn, wie geschehen, die neuerdings wieder jubilierende FDP ihre Wahlabend-Party im schicken Düsseldorfer Medienhafen und dort im besonders angesagten Zollhof Nr. 11 nahe den Gehry-Bauten steigen lässt, ist das, als ob Borussia Mönchengladbach zur Siegesfeier nach Eicken oder die CSU auf den Platz vor der Altöttinger Gnadenkapelle laden würde.

Medienhafen — das ist FDP-Sympathisanten-Areal: Viele Freiberufler, flotte Werbeleute, gemeinhin Kreative genannt, arbeiten hier. Es gibt sogenannte In-Lokale, die gerne zur Location veredelt werden. Wäre der Star des liberalen Wahlabends, wäre Christian Lindner hier mit seinen Porsche aus Studententagen vorgefahren, er wäre kaum aufgefallen, jedenfalls nicht wegen des Autos.

Der FDP-Spitzenkandidat, der im kurzen, knackigen NRW-Wahlkampf im Gegensatz etwa zum gedemütigten Norbert Röttgen von der CDU alles richtig gemacht hat, liebt die Rennfahrerei und den Segelsport. Bei dieser Düsseldorfer Wahlparty in Sichtweite von Rheinturm und Landtag könnte man deshalb behaupten: Lindner hat die blau-gelben Segel gut in den Wind gesetzt, und er hat Runde um Runde aus seinem Rennwagen rausgeholt, was drin steckte.

Es gab am Sonntagabend zwar keine Champagnerdusche für den FDP-Champion, aber es fehlte nicht viel, dass die Gäste der Liberalen im Medienhafen ihren neuen "Hoffnungsträger" (so der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher) auf Händen durch die Location getragen hätten. In gewisser Weise feierte Lindner, der kurz vor 19 Uhr zusammen mit Außenminister Guido Westerwelle erschienen war, seine ganz persönliche After-Work-Party.

Die Anhänger stimmten selig ein in den Song, den Deutsche stets singen, wenn es ihnen besonders wohl ist: "Oh,wie ist das schön, oh, wie ist das schön, so was hat man lange nicht geseh'n." Es folgte frenetischer Beifall, rhythmisches Klatschen, auch Rufe "olé, olé" wurden laut.

Lindner hat seit März Tag für Tag gekämpft für den Wiederaufstieg der FDP, sogar am Samstag war der 33-Jährige noch im Einsatz. Mit 18 war Lindner Inhaber einer Werbeagentur und Mitgründer einer Internetfirma, die jedoch zerplatzte wie so viele "Startups" um die Jahrtausendwende. Der Jungspund mit dem Klasse-Abitur nahm es sportlich oder amerikanisch, also nach dem Motto der sonnigen Gemüter an der US-Westküste: Eine Pleite macht noch keinen Pleitier. Und: Man darf hinfallen, man muss bloß wieder aufstehen.

Das gilt natürlich auch für die FDP NRW: Sie wurde im März demoskopisch auf zwei Prozent taxiert und sammelte politische Nahtod-Erfahrung. Dann kam Lindner mit seinem Dreisatz: Schluss mit der Schuldenmacherei, Ja zu Eigenverantwortung, Nein zu Schulexperimenten auf Kosten des Gymnasiums. Und eines kam in den letzten Tagen vor dem Wahltag noch hinzu: Lindner warb gezielt um frustrierte CDU-Anhänger, denen ihr Kandidat Röttgen zu zögerlich und zu pannenanfällig vorkam und die den seriös auftretenden, ruhig argumentierenden Lindner als wählbare Alternative betrachteten.

1980, als die FDP erstmals aus dem Landtag verschwand, war Lindner ein Jahr alt; beim zweiten Rauswurf aus dem Parlament, 1995, war Lindner Gymnasiast in Wermelskirchen. Und nun könnte der Hauptmann der Reserve seinen Fans zurufen: "Melde gehorsamst, der Wiedereinzug in den Landtag ist geschafft, ich habe geliefert!"

Lindner blieb auch im persönlichen Triumph seinem Wahlkampfstil treu und verkniff sich prahlende Sprüche. Das "große" Ergebnis der Liberalen sei kein Dank für schon Geleistetes, sondern Auftrag, den man im neuen Landtag erfüllen werde.

Der Düsseldorfer Liberale Randall Kausch frohlockte: "Ich habe nie daran gezweifelt, dass wir wieder ins Parlament kommen, das hier heute Abend hilft uns als stärkstem Landesverband enorm weiter, die Schwäche auf Bundesebene auszugleichen." Das Ehepaar Gabriele und Horst-Hans Mühlenbeck ist parteipolitisch gespalten.

Er tendiert zur CDU, sie ist FDP-Mitglied. Er sagte, er sei über das CDU-Resultat geschockt. Sie meinte lachend, ihr Mann sei doch schon vor der Wahl etwas schwankend geworden, nachdem man gemeinsam einem Auftritt Lindners und Wolfgang Clements in Essen beigewohnt habe.

Während das "schwarz-gelbe" Ehepaar, je nach Partei-Vorlieben, Freude und Depression ausdrückte, schrie jemand nebenan nicht gerade altliberal vornehm "Geil, geil"; eine junge Liberale steuerte ihr begeistertes "Wahnsinn, Wahnsinn!" bei. Ein Dritter im liberalen Bunde resümierte, er sei so froh, dass die FDP die Durststrecke hinter sich gebracht habe.

Hat sie das wirklich? Winfried Polch aus Borken blieb skeptisch: "Warum auf einmal dieser Aufschwung für uns — das ist mir ein bisschen schleierhaft." Man dachte: "Wie bitte, warum jetzt Wasser in den liberalen Freudenbecher?" Polch erklärte seine Zurückhaltung: Lindner sei vor seinem Dezember-Rücktritt als FDP-Generalsekretär doch zu 80 Prozent mitverantwortlich gewesen für das Desaster der Bundes-FDP nach 2009. "Also", fuhr der Skeptiker aus Borken fort: "Reden ist das eine, entscheidend ist aber, was politisch auf den Tisch kommt." Im Übrigen brauche die FDP viel mehr Leute mit Standing, wie es ein Wolfgang Kubicki habe: "Nicht so viele Politologen, die direkt von der Uni in die Politik gehen."

Eine Einzelstimme bei dieser Wahlparty. Diese blieb stundenlang ein Christian-Lindner-Festival. Lediglich als ein Fernsehmensch zu hören war, der von dem "Wunderknaben aus Wermelskirchen" sprach, erschien das einigen im Düsseldorfer Zollhof Nr. 11 zu dick aufgetragen. Jemand meinte stellvertretend für andere am Stehtisch: "Na ja, der Lindner ist gut, aber gleich Wunderknabe? — Ich weiß nicht."

Christa Quellmann aus Jüchen, früher einmal FDP-Ratsfrau in Büttgen, pries die exzellente Außendarstellung der Partei durch Lindner. Außerdem sagte sie dies: "Norbert Röttgen war Lindners bester Wahlhelfer." Quellmanns Lebensgefährte Erhard Schiffer setzte hinzu, beim FDP-Neujahrsempfang im Januar habe Lindner als soeben zurückgetretener Generalsekretär noch beobachtend und schweigend am Rande gestanden: "Ich dachte damals: Schad' um das Talent."

Marlik Hai und Eren Basar führten das für die Liberalen tolle Resultat nicht allein auf den viel beschriebenen Lindner-Effekt zurück. Den gebe es zwar sehr stark, aber wichtig sei für die Liberalen in NRW gewesen, dass sie bei den Themen sachlich, standhaft und glaubwürdig geblieben seien: "So haben wir verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewonnen."

Es fiel der Name des FDP-Bundesvorsitzenden Philipp Rösler. Hai und Basar bezeichneten Rösler als "Supertyp"; ob er sich allerdings gegen die öffentliche Häme und den anhaltenden Druck werde behaupten und stabilisieren können — das sei ungewiss.

Die Jungen Liberalen Lennart Trautmann, Kevin Schneider, Christian Volmering und Marco Schultewolter plädierten unisono gegen jegliche Anbiederung der FDP an Rot-Grün in NRW: "Wir konnten im bürgerlichen Lager viele überzeugen, das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden."

(pst)
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