Jugendstil in Glas und Farbe

In einer beeindruckenden Ausstellung breitet das Museum Kunstpalast das Lebenswerk von Johan Thorn Prikker aus. Er schuf für das Ehrenhof-Ensemble Glasfenster und Mosaike – und hinterließ darüber hinaus auch zwischen Holland und dem Ruhrgebiet zahlreiche Spuren.

Regelmäßigen Besuchern des NRW-Forums und des Museums Kunstpalast sind die überwältigenden, wandhohen Glasfenster vertraut, welche den Foyers ihr architektonisches Gesicht verleihen: "Der Tag" im NRW-Forum und "Die Nacht" im Museum Kunstpalast. Deren Schöpfer, der Niederländer Johan Thorn Prikker (1868–1932), siedelte 1904 nach Deutschland über und hinterließ zwischen Den Haag und Hagen, zwischen Mülheim an der Ruhr und Leverkusen eine Fülle künstlerischer Spuren: Glasfenster und Mosaike in Gotteshäusern vor allem.

Im Museum Kunstpalast kann man sich nun ein Bild davon machen, wie Thorn Prikker unter dem Einfluss des Jugendstils eine monumentale Kunst entwickelte – eine Kunst, die teils aus Ornamenten, teils aus massigen Figuren besteht; eine Kunst auch, die das gesamte Leben zu gestalten sucht. Denn Thorn Prikker verstand sich nicht nur auf die Arbeit mit Glas, sondern brachte auch hochästhetische Intarsienkästchen hervor, Plakate, Gardinenstoffe und riesige Gemälde. Das alles sollte zueinander passen, im ganzheitlichen Sinne des Jugendstils.

Der Katalog gibt nur begrenzt einen Eindruck davon, was den Besucher der Schau erwartet, denn er vermittelt naturgemäß nicht die wirklichen Größenverhältnisse. Im Mittelpunkt hängt die vier Mal drei Meter messende Mischtechnik-Arbeit "Der Sämann" von 1910, eine in Ocker- und Blautönen komponierte, monumentale Gestalt, die in sich versunken ihrer Arbeit nachgeht – Sinnbild der menschlichen Existenz. Zuweilen glaubt man dem Künstler bei der Arbeit über die Schulter zu blicken. Kirchenfenster sind hier in ihrem Planungsstadium als miniaturisierte "Probefenster" zu begutachten. Entsprechend bieten sich Mosaike kompakt in der Größe eines Tafelbildes dar. Mobiliar aus Holz ist zu einem Interieur zusammengestellt, und eine improvisierte Kapelle vermittelt einen Eindruck vom Inneren der Neusser Dreikönigenkirche. Andere Kirchenschiffe scheinen in kurzen Filmen auf.

So setzt sich aus Thorn Prikkers Begabungen ein Mosaik zusammen, das den Betrachter an die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zurückführt und die wenigen Jahrzehnte, die folgten, bis die Nazis den Utopien einen Riegel vorschoben. An Thorn Prikkers Zeichnungen bewundert man den feinen, meist auf Parallelität ausgerichteten Strich, aus dem sich ein Gespinst aus Figuren erhebt. An den monumentalen Gemälden beeindruckt die Innerlichkeit der Gestalten, die ein Gegenbild zur großspurigen Typisierung des Sozialistischen Realismus bietet. Und die Kirchenfenster entfalten ihre größte Eigenständigkeit dort, wo sie alles Figürliche abstreifen und sich zu überzeitlichen Zeichen formieren.

(RP)
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