Odzala-Nationalpark Safari ins Revier der Affen

Nirgendwo in Afrika leben so viele Primatenarten wie im Odzala-Nationalpark. "Man braucht scharfe Augen und viel Erfahrung", erzählt Gabin Okele, "mit Geduld finden wir sie aber immer."

Nirgendwo in Afrika leben so viele Primatenarten wie im Odzala-Nationalpark.

Was für ein niederes Wesen, der Mensch! Wie unbeholfen es durch den Dschungel kriecht und erbärmlich mit Schlingpflanzen und Ungeziefer kämpft. Neugierig blickt Pan, der Gorillajunge, auf die fünf Männer herab, die soeben auf der Lichtung angekommen sind. Von einer Astgabel aus hat er aufmerksam beobachtet, wie sie sich mühsam eine Schneise durch das Dickicht schlugen, die Köpfe von Schweißbienen umschwirrt, die Arme von Termitenbissen übersät. Sobald sie Pan im Geäst erblicken, richten sich ihre Kamera-Objektive auf ihn.

Seit einiger Zeit tauchen fast täglich kleine Touristengruppen im Urwald von Ndzehi auf. Sie kommen wegen Pans Familie. Die Menschenaffen scheint es gar nicht mehr zu stören. Gabin Okele wischt sich den Schweiß von der Stirn. Hinter seiner Atemschutzmaske lächelt der einheimische Gorilla-Tracker stolz. Den Mundschutz trägt er wie auch die Touristen, um zu verhindern, dass ansteckende Krankheiten in den Dschungel eingeschleppt werden. Okele hat es wieder einmal geschafft, Pans Großfamilie auf die Schliche zu kommen. "Man braucht scharfe Augen und viel Erfahrung", erzählt er, "mit Geduld finden wir sie aber immer."

Im Sommer 2012 öffnete die Ngaga-Lodge im Ndzehi-Urwald einige Kilometer außerhalb des Odzala-Nationalparks im Nordosten der Republik Kongo. Sie wurde hier aufgebaut, um Naturtouristen anzulocken, die den bedrohten Westlichen Flachlandgorilla in der Wildnis beobachten möchten. Die sechs im Stil von Pygmäen-Hütten gebauten Gäste-Chalets sind in den Urwald eingebettet.

Für die Republik Kongo, das ehemalige Französisch-Kongo, ist die Öko-Lodge ein Novum. In dem krisengeschüttelten Land am Äquator spielte Tourismus noch nie eine wichtige Rolle. Das soll sich nun ändern, wenn es nach dem kongolesischen Artenschutz- und Tourismusministerium, der Umweltschutzorganisation Congo Conservation Company und dem südafrikanischen Safariunternehmen Wilderness geht. Sie ließen in Zusammenarbeit die beiden neuen Lodges im Odzala-Nationalpark aufbauen. Der Nationalpark ist wegen seiner vielfältigen Landschaften einer der artenreichsten Afrikas. Nirgendwo sonst auf dem Kontinent leben so viele Primatenarten, elf tag- und sechs nachtaktive. Keine Region in Zentralafrika hat eine dichtere Population an Westlichen Flachlandgorillas. Der Ndzehi-Urwald an der Grenze zum Nationalpark wurde vor Jahren von einem chinesischen Holzfällerunternehmen aufgekauft. Seit 2011 läuft für 25 Jahre der Vertrag, der der Congo Conservation Company in dem Gebiet die Rechte für das Gorilla-Tracking zuteilt. Wenn das Tourismus-Projekt scheitert, könnte der Urwald wie anderswo auch der überall fortschreitenden Rodung zum Opfer fallen.

Um die Lodge aufzubauen, wurden mehr als 200 Einheimische eingestellt, insgesamt 25 arbeiten heute als Küchen- und Service-Mitarbeiter für die beiden Camps. "Es ist besonders wichtig, möglichst viele Einheimische einzustellen und in das Projekt einzubinden", sagt Magda Bermejo. Seit 1994 erforscht die Primatologin von der Universität Barcelona die Gorillas im Odzala-Nationalpark. "Die Menschen hier haben eine emotionale Beziehung zu ihren Gorillas. Das ist etwas Besonderes in Zentralafrika." In anderen Regionen fallen die Gorillas vermehrt Wilderern zum Opfer. Als vor zehn Jahren im nahe gelegenen Waldgebiet von Lossi Ebola unter den Gorillas ausbrach, musste Bermejo mit ansehen, wie die Tiere massenhaft dahingerafft wurden. "Die Einheimischen sorgten sich um die Gorillas, obwohl sie selbst an der Seuche starben", erzählt Bermejo. Die Gorilla-Forscherin gab nicht auf, sondern begann im Urwald von Ndzehi neue Gruppen zu erforschen, und sie half, das Gorilla-Tracking für Touristen zu initiieren. "Wenn der Tourismus nicht zum Schutz der Menschenaffen beitragen würde, wäre ich an dem Projekt nicht interessiert", sagt sie. "Die Gorillas müssen uns helfen, die Elefanten und andere Arten zu retten."

Im Urwald von Ndzehi ist es Nacht geworden. Heerscharen von Fledermäusen und schwalbengroße Nachtfalter schwirren durch das fahle Mondlicht. Pans Familie hat sich längst im Marantaceae-Gebüsch ein Blätternest zurecht gemacht und schlummert dicht zusammengekauert. Am frühen Morgen werden sich die Gorilla-Tracker auf die Suche nach der Schlafstätte im Unterholz machen. Und wenn er gut gelaunt ist, wird Pan wieder artig für die Fotos der Touristen posieren.

(RP)
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