Komfort wie im Flieger Mit dem Schnellzug durch China

Düsseldorf · Mit den modernen Zügen der China Highspeed Railway reisen auch Touristen im Land der Mitte bequem und schnell. Mitunter gehört die Drängelei beim Einsteigen dazu.

Unterwegs in Chinas Schnellzug
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Unterwegs in Chinas Schnellzug

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Leberwurst, getrocknete Hühnerhälse, Fertigsuppen, Erdnüsse und Cola Zero — die Auswahl an der rollenden Minibar der Zugbegleiterin im Schnellzug CHR 133 von Peking nach Zhengzhou ist groß, wenn auch teilweise etwas gewöhnungsbedürftig. Wer keine Hühnerhälse knabbern will, kann alternativ ein Menü bestellen, das die freundlichen Damen in orange-blauer Stewardessen-Uniform kurz darauf an den Platz bringen. Die Knabberbox im bunten Papageien-Look enthält Rindfleisch mit grünen Bohnen, Kartoffeln, Reis, Ingwerscheiben und kleine Schweinrippchen in würziger Soße. Für umgerechnet 2, 50 Euro ein preiswertes Vergnügen und ein sehr leckeres dazu.

Mit vollem Bauch lehnt sich der Gast entspannt zurück, blättert im Reiseführer oder setzt die iPod-Kopfhörer auf. Noch drei Stunden bis Schanghai. Das Tempo-Display am Kopf des Zuges zeigt eine Reisegeschwindigkeit von 204 km/h an. Vor den Fenstern ziehen im Dunst endlose Felder vorbei.

Was den Komfort betrifft, kann es der Zug der China Highspeed Railway (CHR) mit so mancher westlichen Fluglinie aufnehmen — mit den deutschen ICE sowieso. Die Sitze sind bequem und breit, die Beinfreiheit in der 1. Klasse ist fast so luxuriös wie in der Flug-Business-Klasse: eine echte Wohltat nach dem beengten Flug mit Air China. Das alles gibt's für umgerechnet 35 Euro. Reservieren macht Sinn, denn die Züge sind immer voll. Chinesen reisen gerne mit der Bahn.

Zugreisen sind ein gutes Mittel, das Reisen innerhalb von China preiswert zu gestalten. Das Schnellzugnetz wird in dem im Eiltempo expandierenden Land stetig ausgebaut. Zur Expo im vergangenen Jahr wurde eine neue Hochgeschwindigkeitsverbindung von Peking nach Shanghai in Betrieb genommen.

Eine andere Strecke führt von Peking aus über Zhengzou und von dort weiter nach Wuhan. Der große Bahnhof der Stadt in Zentralchina erinnert nicht nur durch seine breite, auf Stelzen stehende Auffahrt an einen westlichen Flughafen. Die großen Warteräume darf nur betreten, wer sein Fahrticket vorzeigt. Der Zug wird ausgerufen. Damit die Drängelei auf den Bahnhöfen nicht zu groß wird, regeln Bahnsteigkarten den Zutritt. Auch wer zu früh kommt, muss auf dem Vorplatz warten. Dort harren Familien mit Koffern, Lebensmitteln, Tieren und anderem Gepäck geduldig aus.

So bequem das Reisen in den modernen Zügen ist, und so diszipliniert es drinnen zugeht, der Weg hinein muss mit rustikalem Ellbogeneinsatz gebahnt werden. "Drängeln ist hier erlaubt", sagt Reiseführer Zheng-Bo und mahnt, die wenigen Minuten Aufenthalt konsequent zu nutzen, um irgendwie in den Zug zu kommen. Gewartet wird nicht, auch wenn noch Fahrgäste auf dem Bahnsteig stehen.

Der Fahrplan ist eng und ehrgeizig. Über lange Bahnsteige, auf denen gebaut wird (wie fast überall) sprinten kleine Reisegruppen zum gebuchten Abteil, werfen die Koffer in die offene Waggontür und atmen erleichtert durch: geschafft! Der Zug rollt bereits, als die Passagiere zu ihren Sitzen gehen. Im Hinausgleiten sehen sie noch kurz, wie die weniger begüterten Chinesen reisen: In einem grünen Stahlriesen aus den 60er Jahren sitzen die Menschen dicht an dicht an kleinen Tischchen, viele mit nacktem Oberkörper, weil in den Waggons Saunatemperaturen herrschen.

In den Großstädten Chinas nimmt die Zahl der Autos rasant zu. Die neun Millionen Fahrräder in Beijing, die Popstar Katie Melua besingt, werden von Volkswagen, Mercedes oder Toyota abgelöst. 1800 neue Autos werden täglich in Peking zugelassen — ein Zeichen wachsenden Wohlstands, der riesige Probleme verursacht. Der Himmel über Peking ist meist dunstig von Abgasen. Dauerstaus verstopfen die Haupteinfallstraßen. Da hilft es wenig, dass die Regierung einen großen Straßenring nach dem anderen für die explodierende Stadt baut, wie im Museum für Stadtentwicklung in der Nähe des Platzes des himmlischen Friedens auf großen Schautafeln und Modellen zu sehen ist. Immerhin: Fahrverbote für Besitzer bestimmter Kennzeichen holen an den Wochentagen jeweils 20 Prozent der Autos von der Straße.

Für eine Stadttour eignen sich Bus und U-Bahn. Die sind sehr preiswert. Allerdings empfiehlt es sich, die Tour mit einem Reiseführer zu machen. Denn Peking hat zwar für die Olympiade 2008 viele Schilder und Hinweise auch in englischer Sprache aufgehängt, im öffentlichen Nahverkehr aber fehlen diese wichtigen Hilfen. Spätestens unter der Erde sind Touristen im U-Bahn-System verunsichert.

Viel schöner, und nach einem ersten Schreckmoment auch beherrschbar, ist eine Radtour durch die Straßen der Millionenstadt. Die Radler tauchen sofort ein in den pulsierenden Rhythmus der Metropole und bekommen ganz unmittelbare Einblicke in Geschäfte, Friseurläden, Kneipen. Angst ist nicht begründet. Tipp: Einfach mitschwimmen, es den Einheimischen nachmachen, die sich ganz selbstverständlich durch die Blechlawinen schlängeln. "Wer Mut hat, hat Vorfahrt", scherzen die Chinesen.

Ein lohnendes Ziel für eine solche Radtour ist das autofreie Viertel um den Hou Hai-See. In den Studenten-Kneipen und Szene-Restaurants erwacht das Leben am Abend. China zeigt sich dann von seiner westlichen, der modernen Seite.

Infos:

Land & Leute Die Volksrepublik China ist mit 1,3 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Erde. Die größten Städte: Shanghai, ca. 18 Millionen, Peking, ca. zwölf Millionen und Hongkong ca. neun Millionen Einwohner.

Pauschalreisen Der Reiseveranstalter "Marco Polo" ersetzt auf vielen Strecken in China Inlandsflüge oder Busse durch die Bahn. Das ermöglicht mehr Eindrücke von Land und Leuten. Die 15-tägige Entdeckerreise "Erlebnis Reich der Mitte" von Shanghai bis Peking kostet ab 1559 Euro inkl. Flüge, Rundreise, Übernachtungen und Reiseleitung. Die Stationen: Shanghai, Wuhan, Yangze-Kreuzfahrt, Xian und Peking. Die Strecke Shanghai-Wuhan wird mit dem Hochgeschwindigkeitszug zurückgelegt. Außerdem hat Marco Polo für Traveller zwischen 20 und 35 Jahren die 17-tägige Reise "China unplugged" komplett mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufgelegt. Sie kostet ab 1999 Euro, inkl. Flug, Rundreise, Übernachtungen und Reisebegleitung.

Auskünfte unter 0800/ 4401 4401 (gebührenfrei) oder www.marco-polo-reisen.com

(RP/chk)
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