Wegen verschwundener Athletin Tennis-Boss will Turniere aus China abziehen – Peng Shuai weiter vermisst
Berlin · WTA-Chef Steve Simon droht, die Aktivitäten im Damen-Tennis in China einzustellen, sollte Pekings Führung sich nicht des Falls Peng Shuai annehmen. Die Tennisspielerin hatte einen chinesischen Spitzenpolitiker des sexuellen Übergriffs bezichtigt – und wird seitdem vermisst.
Simon hat mit dem kompletten Rückzug der Damen-Tennistour aus China gedroht, falls die Führung in Peking im Fall der verschwundenen Spielerin Peng Shuai nicht Licht ins Dunkel bringt. „Wir sind definitiv dazu bereit, unsere Aktivitäten zu beenden, mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt“, versicherte Simon am Donnerstag (Ortszeit) in einem CNN-Interview. Die Vorwürfe in Bezug auf Peng seien „größer als das Geschäft“, sagte der Chef der Spielerinnen-Organisation WTA. „Frauen müssen respektiert und dürfen nicht zensiert werden“, forderte Simon.
Schätzungen zufolge könnte die WTA durch eine solche Maßnahme mehrere hundert Millionen Dollar verlieren. Simon stellte aber klar: "Dies ist größer als das Geschäft. Frauen müssen respektiert und nicht zensiert werden."
China gilt mittlerweile als wichtiger Standort vor allem für das Damen-Tennis. 2018 wurde das Saisonabschluss-Turnier der besten acht Spielerinnen des Jahres von 2019 bis 2028 an die chinesische Stadt Shenzhen vergeben und das Preisgeld von 7 Millionen US-Dollar auf 14 Millionen verdoppelt. Wegen der Coronavirus-Pandemie konnte in den vergangenen beiden Jahren allerdings nicht in China gespielt werden.
Peng Shuai hatte Anfang November im sozialen Netzwerk Weibo Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht. Seither ist die 35-Jährige nicht mehr öffentlich gesehen worden und gilt als verschwunden. Chinas Zensur streicht jede Debatte über den Fall. Suchen nach ihrem Namen oder nach #MeToo im chinesischen Internet sind geblockt.
Eine angebliche Mail von Peng hat bei der WTA erhebliche Zweifel geweckt und die Besorgnis noch vergrößert. Chinas staatliches Auslandsfernsehen CGTN hatte in der Nacht zum Donnerstag auf Twitter eine Mail veröffentlicht, die der Tennisstar selbst geschrieben haben und an den WTA-Chef Simon geschickt haben soll. Die Berichte über sie, „einschließlich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung“, seien „nicht wahr“, hieß es darin. Ihr gehe es gut.
„Über den Verbleib von Peng Shuai wollte sich Chinas Außenministerium nicht äußern. Anfragen sollten an „zuständige Stellen“ gerichtet werden, sagte ein Sprecher.
Prominente Weggefährten wie Alexander Zverev äußerten sich beunruhigt. "Ich hoffe, sie wird bald gefunden", sagte der Olympiasieger bei den ATP Finals in Turin: "Wir sprechen hier nicht von einem Tennismatch, wir sprechen von einem Menschenleben." Naomi Osaka schrieb auf Twitter: "Ich bin geschockt von der gegenwärtigen Lage und sende ihr Liebe und Licht."
"Wir möchten betonen, dass es wichtig ist, zu wissen, wo sie ist und wie es ihr geht", sagte auch Liz Throssell, die Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros am Freitag in Genf und forderte: "Wir würden darauf drängen, dass es eine Untersuchung mit voller Transparenz zu ihren Vorwürfen der sexuellen Nötigung gibt."
Der Fall schlägt auch international Wellen. Die britische Tageszeitung „The Times“ schreibt dazu am Freitag: „Die Spielerinnen-Organisation WTA verschwendete keine Zeit, um klarzustellen, dass sie die angebliche Aussage von Peng Shuai für eine dreiste Fälschung hält. WTA-Direktor Steve Simon ging noch weiter und deutete die Entschlossenheit des Verbandes an, China von der Ausrichtung künftiger Turniere auszuschließen. Damit hat der Verband weit mehr Mut bewiesen als die meisten internationalen Organisationen, die mit Peking in Streit geraten sind - von der US-amerikanischen National Basketball Association bis zum Internationalen Olympischen Komitee (IOC).“