Québec-City Ein Schneemann übernimmt das Kommando

Im Februar feiern die Einwohner von Québec-City den schönsten und größten Winter-Karneval Nordamerikas. Zwei Tage im Epizentrum des närrischen Treibens.

Karneval in Québec
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Foto: Claudel Huot / OTCCUQ

Jean-Pierre geht am Stock. Nicht, weil ihm das Laufen schwer fiele. Nein, hier und heute dient die Spazierhilfe ganz anderen Zwecken. Alle paar Minuten schraubt der fröhliche Geselle den Knauf ab, führt das Gerät zum Mund und nimmt einen kräftigen Schluck. Der originelle Abfüllapparate kommt jedes Jahr von Ende Januar bis Mitte Februar massiv zum Einsatz. Denn dann tobt bei klirrender Kälte in Québec-City der größte und schönste Winterkarneval Nordamerikas. Rund um das historische Hotel "Chateau Frontenac" - das weithin sichtbare Wahrzeichen Québecs hoch über dem St.-Lorenz-Strom - verwandeln sich dann die Straßen und Gassen der verschneiten Altstadt in festliche Bühnen für Paraden und Wettkämpfe, für Musikkapellen und Schlittschuhartisten, für Schnee-Künstler und Eis-Skulpteure.

Letztere haben schon Tage zuvor ihr Bestes gegeben. Überall begegnen wir ihren fantasievollen Gebilden: der riesige Indianer vor der Kunst-Galerie, ein gallischer Hahn neben der Büste von Louis XIV. auf der Place Royale; monströse Halloween-Kürbisse und Harlekin-Köpfe, teils überlebensgroße Märchenfiguren und Zauberwesen - alles allerliebst aus Eis gefräst und gehobelt für das fröhliche Fest.

Chef über das närrische Treiben ist ein zwei Meter großer lustiger Schneemann mit roter Zipfelmütze, wie sie Holzfäller und Bauern in Ostkanadas größter Provinz traditionell tragen. Gute zwei Wochen lang regiert "Bonhomme Carnaval" über Québec-City und residiert in einem Schloss aus Eis, das für die Tage des Festes gegenüber dem Parlament der Provinz errichtet wird. Und überall, wo sich das Riesenmaskottchen sehen lässt, bilden sich Trauben von Menschen, die dem "General Hiver" gewaltig einheizen und ihm eine Nase drehen wollen.

Denn die Winter in Québec haben es in sich. Von Anfang Dezember bis Ende April herrscht Väterchen Frost mit eisigem Zepter; fährt den Kühlschrank radikal runter auf minus 25 bis 30 Grad; verzuckert die Wälder und versiegelt die Seen; zaubert flauschige Schneekappen auf Dächer und Monstereiszapfen an Wasserfälle und Regenrinnen.

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Foto: shutterstock/ Richard Cavalleri

Im Februar haben sie hier die Nase voll davon. Das Ende des Winters naht und will gebührend gefeiert werden. Und so wie bei den Cariocas in Rio oder beim Mardi Gras in New Orleans geht dann die Post ab -nur eben bei eisigen Temperaturen. Den kälteerprobten Québecois scheint das nichts auszumachen. Stundenlang verharren sie draußen und absolvieren das umfangreiche Festivalpensum - auch dank "Caribou". So heißt der heiße Zaubertrank aus den Spazierstöcken, den man an vielen Ständen einfach nachtanken kann. Ein hochprozentiges Elixier aus Brandy, Wodka, Sherry und Portwein, das die Gesichter zum Glühen und die Beine zum Wackeln bringt.

Das wohl größte Spektakel wartet am zweiten Sonntagnachmittag: das Finale des legendären Kanurennens auf dem St.-Lorenz-Strom. Ganz Québec ist auf den Beinen. Pünktlich um halb zwei gibt "Bonhomme Carnaval" das Startsignal, und gut 20 Teams stürzen sich ins irrsinnige Abenteuer, den knapp einen Kilometer breiten Strom zwischen Québec-City und der gegenüberliegenden Stadt Lévis so schnell wie möglich zu überqueren.

Mit herkömmlichem Kanufahren hat das Ganze nichts zu tun. Der Strom steckt voll tückischem Treibeis. Fußballfeldgroße Schollen driften in seiner Mitte langsam Richtung Meer. An den Ufern wiederum erzeugen die Gezeiten einen Gegenstrom und pressen die Eisbrocken also entgegengesetzt an den Hafenmauern entlang. Diese sich stetig verändernden Barrieren, aber auch Wind, Strömungen und Strudel machen den Männern und Frauen in den leichten Fiberglasbooten das Leben schwer. Wer gewinnen will, braucht starke Arme, schnelle Beine und verdammt gute Augen. Ganz zu schweigen von einer gehörigen Portion Glück.

Wo immer sich ein freies Fleckchen Wasser zeigt, wird gerudert. Blockiert eine Eisscholle den Weg, heißt es Abspringen und das Boot bis zum nächsten Wasserloch zerren. Rein und raus, wieder und wieder. Zweimal müssen die Männer-Teams hin und zurück, die Besten schaffen die Tortur in einer reichlichen Stunde. Manche brauchen die doppelte Zeit, und einige bleiben völlig erschöpft im Treibeis sitzen, bis sie von Eisbrechern erlöst werden.

Die Redaktion wurde von Tourisme Québec eingeladen.

(RP)
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