Deutschland Chili-Eis und Torschlusspanik auf der Burgenstraße

Auf 770 Kilometern überraschen Orte wie Burg Guttenberg, Schwäbisch Hall oder Rothenburg mit Geschichte und Kuriositäten.

 Die St. Michaelskirche in Schwäbisch Hall thront hoch über dem Marktplatz. Das imposante Gotteshaus wurde im Jahr 1156 als romanische Basilika geweiht und 1427 bis 1525 in eine gotische Hallenkirche umgebaut.

Die St. Michaelskirche in Schwäbisch Hall thront hoch über dem Marktplatz. Das imposante Gotteshaus wurde im Jahr 1156 als romanische Basilika geweiht und 1427 bis 1525 in eine gotische Hallenkirche umgebaut.

Foto: Rainer Hamberger

Beim Betreten des Schlosshofes riecht es verlockend nach frischem Brot. In der Backstube wirft Frau Bertsch einen kritischen Blick auf die Laibe im Ofen. „Nein, die brauchen noch etwas.“ Seit 20 Jahren wird auf Burg Guttenberg nach alter Art im Holzofen Brot gebacken. In Brotkörben ruht der Teig, länglich oder rund, bis im Ofen die richtige Temperatur herrscht. Letzte Probe vor dem „Einschießen“: „Ich streue etwas Mehl auf die Backfläche. Wird es braun, ist der Ofen noch zu heiß. Eine schwarze Unterseite mag wohl niemand“, meint die Bäckerin verständnisvoll.

Burg Guttenberg ist eine spätmittelalterliche, 800 Jahre alte Höhenburg über Neckarmühlbach, in der Nähe Heilbronns. Im Schlossmuseum zeigt Frau von Dewitz stolz ihre Schätze aus vergangenen Jahrhunderten: „In dieser Vitrine sind Bibeln aus der Zeit Martin Luthers in deutscher Sprache.“ Seit über 560 Jahren befindet sich die vollständig erhaltene Staufer-Burg im Besitz der Freiherren von Gemmingen.

In der Greifenwarte verfolgen die Besucher von Burg Guttenberg gespannt eine Flugvorführung der Falkner. Aufgeregt trippeln die Raubvögel auf ihren Stangen hin und her, sobald ihre Bezugsperson vorbeigeht. Vielleicht haben sie wieder Leckerbissen in der Tasche. „Kontrollierter Wildflug“ ist eine Aufgabe der hier nachgezüchteten Vögel. Aber auch verletzte Greife und Eulen finden Aufnahme und Pflege. Dann starten die Vögel über die Köpfe hinweg.

Umgeben von Weinbergen fiel es dem Poeten Justinus Kerner, dem wohl berühmtesten Sohn der Stadt Weinsberg nicht schwer, romantische Texte zu verfassen. Seines Zeichens Arzt und Dichter, wurde er auch als „Genie der Freundschaft“ bezeichnet. Tage-, ja monatelang war er von Freunden umgeben. Dank dem Organisationstalent seiner Frau „Rickele“ wurden im nicht allzu geräumigen Kerner-Haus Gäste untergebracht. Viele persönliche Gegenstände Kerners sind in seinem Dich-
terhaus zu sehen. Dr. Bernd Liebig, Leiter des Museums, erzählt davon Geschichten, während im Garten Eichhörnchen zwischen alten Bäumen herumflitzen.

Hoch über dem Marktplatz in Schwäbisch Hall thront die St. Michaelskirche. Im Jahr 1156 als romanische Basilika geweiht wurde sie 1427 bis 1525 in eine gotische Hallenkirche umgebaut. Johannes Brenz, ein Anhänger Luthers, reformierte vorsichtig und ohne Bildersturm. Viele wertvolle spätmittelalterliche Kunstwerke blieben der Kirche so erhalten. Der mühsame Weg über die Treppen ist lohnenswert. Eng beieinander stehende Fachwerkhäuser reihen sich unten um den Marktplatz, auf dem unter bunten Sonnenschirmen während des Wochenmarktes emsiges Treiben herrscht.

Einige Schweine liegen faul in der schwarzen, aufgewühlten Erde. Eine kleine Herde kommt angetrabt, Richtung Futterturm. Ein Leben wie im Paradies führen Rudolf Bühlers „Schwäbisch-Hällische Weideschweine“. Erkennbar sind sie an breiten schwarzen und rosa Streifen. Viele nennen Landwirt Rudolf Bühler einen Visionär. Viele seiner Visionen wurden Realität. Nicht nur in Deutschland, auch in Afrika, Asien und Indien hat er bei Kleinbauern Projekte initiiert, die dort Menschen eine Existenz sichern.

Der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, bei der auch Rudolf Bühler maßgeblich beteiligt ist, haben sich bereits 1450 Bauern angeschlossen, die ihre Landwirtschaft nachhaltig betreiben. Ein wichtiger Schritt gegen Massentierhaltung. Vermarktet werden ihre Fleisch-Produkte und andere Fair-Trade-Waren in der Markthalle von Wolpertshausen.

 In der Greifenwarte auf Burg Guttenberg heben die Greifvögel zum kontrollierten Wildflug ab.

In der Greifenwarte auf Burg Guttenberg heben die Greifvögel zum kontrollierten Wildflug ab.

Foto: Rainer Hamberger

Schoko-Chili, Kurkuma-Mandel oder Kürbis-Ingwer: Eiscremesorten mit diesen Gewürz-Kombinationen sind exotisch. In den Arkaden der ehemaligen Wäscherei des Bauernschlosses Kirchberg an der Jagst, im dritten Schlosshof der Anlage, haben sich Nina und Klaus Sohl mit ihrer „moo Eismanufaktur“ einen Traum verwirklicht: die Herstellung von Heumilcheis aus selbst pasteurisierter Milch ohne künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe. Sie arbeiten eng mit ansässigen Milchbauern zusammen. „Gerade für Menschen mit Allergien sind natürliche Beimischungen wichtig. Als nächstes wollen wir Demeter-Milch verarbeiten“, erklärt Nina Sohl.

Hoch über der Jagst thront das eindrucksvolle Gemäuer. Im Verlauf der Jahrhunderte wurde das Gebäude für allerlei Zwecke genutzt. Als Sammellager für Zwangsarbeiter vor ihrer Rückführung oder als Unterkunft für Asylsuchende. Gerade werden Räume zu Hotelzimmern. Ein Konzertsaal ermöglicht Festspiele.

Zwischen Bayreuth und Mannheim verläuft die 770 Kilometer lange Burgenstraße. Das mittelalterliche Rothenburg mit seiner gut erhaltenen Altstadt gehört zu einer der herausragenden Stationen. Einst Kaisersitz der Staufer, erlebte die an einem Handelsweg liegende Stadt um 1340 ihre Blütezeit. Kriegerische Auseinandersetzungen brachten das quirlige Leben zum Erliegen. Doch dann entdeckten Maler und Poeten die Schönheit dieses fränkischen Fleckens.

 Der Nachtwächter sieht in Rothenburg nach dem Rechten.

Der Nachtwächter sieht in Rothenburg nach dem Rechten.

Foto: Rainer Hamberger

Eine Gruppe Touristen steht erwartungsvoll vor dem Rathaus. Gekleidet in einem warmen Umhang, in einer Hand die Laterne, in der anderen die Hellebarde, um den Hals ein ausgehöhltes Kuh-Horn, macht sich der Nachtwächter mit seinem Gefolge auf den Weg durch das nächtliche Rothenburg. „Ist euch die kleine Türe im großen Stadttor aufgefallen?“ Im Dunkeln hat wohl keiner darauf geachtet. „Um feindliche Eindringlinge außen vor zu halten, wurde das Tor abends geschlossen. Verpassten Bewohner diese Zeit konnten sie gegen ein Entgelt durch das ,Ein-Mann-Tor’ hereingelassen werden. Nun wisst ihr was Torschlusspanik bedeutet!“ Nachtwächter zu sein war eine interessante Aufgabe, um  das Wohlergehen der Stadt zu sichern. Diebe wurden mit der Hellebarde in Schach gehalten, mit dem Horn blies er Feueralarm, und natürlich wusste er, wer mit wem sich in dunkle Ecken verdrückte.

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