Alaska Ganz zügig durch die Wildnis

Alaska – von Seward bis Fairbanks schlängelt sich die Alaska Railroad über 750 Kilometer durch Amerikas 49. Bundesstaat. Panoramawagen bieten während der Reise beste Aussichten.

 Mit dem Zug geht es unter anderem vorbei an der Chugach Mountain Kette

Mit dem Zug geht es unter anderem vorbei an der Chugach Mountain Kette

Foto: Axel Baumann/AXEL BAUMANN

Dustin Slinker - Angler

Dustin Slinker ist ein Meister des Filetierens. Lachse sind sein Metier. Um sie fachgerecht zu zerteilen, wetzt er während der Sommersaison von früh bis spät das Messer. In Anchorage beginnt die Wildnis mitten in der Stadt. Am Ufer des schlammigen Ship Creek stehen Einheimische und Touristen in langen Gummistiefeln oder Wathosen. Alle hoffen auf den großen Fang. Meist müssen sie nicht lange darauf warten. Das Gewässer ist voll von Königs-, Silber-, Rotlachsen und Forellen. „Zehn Pfund bringen sie mindestens auf die Waage. Richtig dicke Brummer bis zu 30“, sagt Dustin.

Als Fallschirmspringer bei der U.S. Army sprang er irgendwann auch über Alaska ab und verliebte sich in den flächenmäßig größten amerikanischen Bundesstaat. Seit sieben Jahren betreibt er seine „Köderhütte“, „The Bait Shack“, direkt am Ship Creek. Dort verkauft er nicht nur Angelscheine, verleiht Ruten und Gummistiefel, sondern portioniert den frischen Fang auch gleich für seine Kunden. Nur ein paar Schritte vom Ufer entfernt leuchtet das weiße Bahnhofsgebäude der Alaska Railroad (ARR). 1904 erfolgte der erste Spatenstich für die normalspurige Linie, denn in Fairbanks setzte der Goldrausch ein und in der Gegend um Matanuska und Healy wartete Kohle auf ihren Abtransport. Am 15. Juli 1923 schlug Präsident Warren Harding in Nenana zunächst zweimal daneben, aber dann doch den „goldenen Nagel“ ein. Die 750 Kilometer lange Route vom eisfreien Tiefseehafen Seward auf der Halbinsel Kenai durchs Hinterland bis Fairbanks war eröffnet.

Nun, der betriebsamste Bahnhof ist Anchorage nicht. Von Mai bis September starten täglich nur drei Züge. Zwei gen Süden, einer gen Norden. Sie werden von mächtigen blau-gelb lackierten Stahlkolossen gezogen. Schon früh am Morgen zuckelt der „Coastal Classic Train“ in vier Stunden bis in die kleine Hafenstadt Seward. Kurzer Zwischenstopp im ehemaligen Goldminenstädtchen Girdwood. Die „Crow Creek Mine“ erinnert heute noch daran. Längst lebt der Ort vom weißen Gold. Er entwickelte sich zu Alaskas Hauptwintersportresort. Seward verdankt seinen Namen einem amerikanischen Außenminister.

„Die ersten Siedler der Gemeinde waren Russen, denn bis 1867 gehörte Alaska noch zum Zarenreich. Im 18. Jahrhundert entdeckten russische Pelztierjäger das Gebiet. Mit der Zeit ging die Zahl der Felltiere zurück“, informiert Zugführer Vern Gilles: „Das weit entfernte Territorium war für Russland immer schwieriger zu halten. Also einigten sich Zar Alexander II. und US-Außenminister William Seward per Vertrag, dass Russland den „Eisblock“ Alaska für 7,2 Millionen Dollar an Amerika verscherbelt.“

Charles Jones - Lokführer

Die Bahn, die die längste Route befährt, verlässt Anchorage Richtung Norden. Es ist der „Denali Star Train“. Lokführer Charles Jones startet die schwere Diesellok mit der Nummer 4321. Seit 27 Jahren ist der Mann aus Chicago für die Alaska Railroad auf der Schiene. Mit maximal 50 Kilometern pro Stunde rattert der Zug am Fluss Eklutna entlang. Die Region um Matanuska, einst vom Kohleabbau geprägt, ist heute Weideland und der Gemüsegarten Alaskas.

Martin Buser - Schlittenhundsportler

Einige Meilen von Wassila, dem nächsten Haltepunkt, entfernt, lebt Martin Buser seinen amerikanischen Traum am „Big Lake“. Als junger Mann wanderte der Schweizer nach Alaska aus, wurde Schlittenhundesportler und begann Huskies zu züchten. 1980 bestritt er sein erstes „Iditarod-Hundeschlittenrennen“, das seit 1973 jedes Jahr auf zirka 1.800 Kilometern zwischen Anchorage und der ehemaligen Goldgräberstadt Nome an der Beringsee stattfindet. „Damit wollen wir die Hundeschlittenkultur aufrecht erhalten, und es soll an die Hundeschlittenstaffeln erinnern, die einst auf dem Iditarod-Pfad zwischen Seward und Nome Waren und Post transportierten“, berichtet Martin. Auch dem „Serum Run to Nome“, dem „Rennen auf Leben und Tod“ von 1925 wird mit dem Lauf gedacht. Damals brach in der Goldgräberstadt Nome Diphtherie aus. Um eine Epidemie zu verhindern, wurde dringend Impfstoff benötigt. Die Alaska Railroad brachte das lebensrettende Serum von Anchorage bis Nenana. Ab dort beförderten es zwanzig Musher mit ihren Hunden in fünfeinhalb Tagen tapfer weiter durch eisige Landschaft und unwegsames Gelände.

Wenn das Wetter mitspielt, ist kurz vor Talkeetna bei Meilenstein 224 der Mount McKinley oder Denali über die Wipfel der grünen Mischwälder hinweg zu erkennen, hatte Zugchef George Huling verkündet. Doch „der Hohe“ (6.190 Meter), was Denali auf Athapaskisch bedeutet, hüllt sich in eine schützende weißgraue Nebeldecke. Die meisten Fahrgäste steigen am Denali-Nationalpark-Bahnhof aus. Mit dem Bau der Alaska Railroad kamen die Besucher in den Park, um lichte Wälder, schneebedeckte Gipfel, Bären, Elche, Rentiere und andere Wildtiere zu sehen.

Wer ausreichend Zeit hat, bleibt einige Tage. Wer wenig Zeit hat, besteigt am nächsten Mittag den „Denali Star“, der aus Fairbanks heranrauscht. Mit lautem Gehupe trifft er nach achtstündiger Fahrt wieder in Anchorage ein. Es schallt hinüber zum Ship Creek. Dort wird immer noch gefischt. Zwei erfolgreiche Angler schleppen ihre prächtigen Lachse zu Dustins Holzhütte. Dieser schärft kurz das Messer und macht sich wieder ans Filetieren.

Die Reise wurde von Visit Anchorage (www.anchorage.net) unterstützt.

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