Buchautor kritisiert seine Kollegen 80 Prozent der Rücken-OP überflüssig

Düsseldorf (RPO). Eine falsche Bewegung und man kann sich nicht mehr rühren. Etwa ein Bandscheibenvorfall? Oftmals wollen Ärzte durch eine Operation schnelle Abhilfe schaffen. Doch diese sind nicht teuer, sondern auch meist überflüssig, sagt der Rückenexperte und Buchautor Dr. Martin Marianowicz.

10 Dinge, die Sie über Ihren Rücken noch nicht wussten
Infos

10 Dinge, die Sie über Ihren Rücken noch nicht wussten

Infos
Foto: shutterstock/ Sebastian Kaulitzki

Rückenschmerzen sind zur Volkskrankheit geworden, denn 42 Prozent der Deutschen haben mittlerweile darunter zu leiden. Die unangenehmen Schmerzen sind der häufigste Grund für Krankmeldungen und treiben so manchen Betroffenen zur Verzweiflung. Deshalb finden jährlich in Deutschland fast 230.000 Wirbelsäulenoperationen statt. Das seien zu viele, sagt Dr. Martin Marianowicz in seinem Buch "Aufs Kreuz gelegt".

Oftmals werde voreilig und völlig umsonst zum Skalpell gegriffen, weiß der Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin zu berichten. Immer schneller und häufiger würden Rückenoperationen gerade in Großstädten eingeleitet. "Das ist insofern besonders tragisch, als rund 80 Prozent aller Bandscheibenoperationen unnötig sind und Bandscheibenvorfälle in 90 Prozent aller Fälle von selber abheilen", bemängelt der Experte.

Generell werde das Gesundheitssystem immer operationslastiger. Viel zu oft werde dem Patienten nicht richtig zugehört, wenn es darum geht die Ursache für die Schmerzen festzustellen, kritisiert der Facharzt in seinem Buch. Denn wer sich als Arzt Zeit für den Patienten nehme, zahle drauf. Pauschal könnten für einen Kassenpatienten nur rund 29 Euro pro Quartal abgerechnet werden. Und da seien Injektionen und Röntgenaufnahmen bereits eingeschlossen.

Operationen bringen gutes Geld

Mit einer Operation jedoch lasse sich gutes Geld verdienen. "Die Kosten für alle Eingriffe an der Wirbelsäule haben sich insgesamt verdoppelt, die für die großen Versteifungsoperationen sind sogar um das Fünffache angestiegen.", schreibt der Experte. So mancher Arzt versuche da, dem Patienten Angst einzujagen und ihn so zu einer Operation zu bewegen. Es werde mit Lähmung, lebenslangen Schmerzen, und mit einem Leben im Rollstuhl gedroht.

Besonders kritisch sieht der Fachmann, dass sich Ärzte oft zu sehr auf Röntgen- und Kernspinbilder verlassen. In seinem Buch betont er mehrfach, dass einzig und alleine die Schmerzfreiheit des Patienten an oberster Stelle zu stehen hat: "Zumal ein Bild von der Trümmerwüste eines Rückens für die Psyche des Patienten ein negatives Signal sein könnte, weil es Ängste und Schmerzerwartungen weckt."

Mehr mit Patienten sprechen

Wichtig sei nicht, dass das Röntgenbild gut aussähe, sondern dass der Patient schmerzfrei sei und die vorherige Lebensqualität wiederhergestellt werden könne. Aus Erfahrung kann Marianowicz berichten, dass den meisten Rückenleiden auch ohne operativen Eingriff Abhilfe geschaffen werden kann.

Auch hätten Patienten oft ein gutes Gespür, wenn es darum gehe, die Ursachen für das eigene Rückenleiden festzustellen, stellt er in seinem Buch fest. Deshalb sollten sich Ärzte mehr Zeit nehmen mit den Patienten zu sprechen bevor sie mit dem Röntgen anfangen. Gerade bei jungen Menschen sei Röntgen auch geradezu zwecklos, weil sich noch knöchernen Veränderungen gebildet haben können.

Auch den Patienten rät er genau hinzuhören und sich vor allem keine Angst machen zu lassen. "Rückenschmerzen sind nicht lebensbedrohlich", beruhigt der Experte und rät, sich am besten immer erst eine zweite Meinung einholen, besonders wenn der Arzt zur schnellen Operation drängt.

(RPO)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort