Hilfe bei Entscheidung für oder gegen Chemotherapie Krebsforscher gucken bei Google und Facebook ab

Dresden · Google liefert gute Suchergebnisse, weil es nicht nur Webseiten, sondern auch die Hyperlinks zwischen ihnen berücksichtigt. Eine ähnliche Strategie könnten Ärzte in Zukunft nutzen, um zu entscheiden, ob ein Patient eine Chemotherapie erhalten sollte oder nicht.

Die häufigsten Krebs-Todesursachen
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Foto: DAK/Wigger

Es war die Frage danach, warum manche Menschen mit einer bestimmten Krebserkrankung lange leben und andere schnell versterben, die die Wissenschaftler der Universität Dresden beschäftigte. Sind es neben Faktoren wie Umwelteinflüssen und dem persönlichen Lebensstil vielleicht auch solche, die mit der individuellen Tumoraggressivität zu tun haben?

Unter 20.000 Verdächtigen die richtigen sieben finden

Um zu entscheiden, welche Proteine im Tumor eines Patienten relevant für den Krankheitsverlauf sind, haben Forscher des Biotechnologischen Zentrums der Universität Dresden (BIOTEC) gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe des Dresdner Universitätsklinikums Carl Gustav Carus (UKD) eine modifizierte Version von Googles PageRank-Algorithmus benutzt.

Auf diese Art und Weise untersuchten sie rund 20.000 Proteine nach ihrem Einfluss auf das Voranschreiten von Bauchspeicheldrüsenkrebs. In der Studie haben die Forscher sieben Proteine gefunden, die dabei helfen können, die Aggressivität eines diagnostizierten Tumors anhand des Tumorgewebes zu bestimmen. Diese Information kann dem behandelnden Arzt helfen zu entscheiden, ob der Patient eine Chemotherapie erhalten sollte oder nicht.

Während Krebsoperationen wird standardmäßig Tumorgewebe entnommen, das die Dresdner Forscher unter einem neuen Aspekt unter die Lupe nahmen: Mit einem Algorithmus durchsuchten sie nicht das Internet, sondern Daten, die die Gen- und Proteinaktivität im Tumorgewebe beschreiben.

Ziel ist es, sogenannten Biomarker zu finden, also Moleküle, die vom Tumor produziert werden und die den weiteren Verlauf oder das Wiederauftreten einer Krebserkrankung anzeigen können. Trotz intensiver weltweiter Forschung wurden nach Auskunft von Birte Urban-Eicheler, Pressesprecherin Biotechnologisches Zentrum der TU Dresden, bisher nur wenige verlässliche Biomarker gefunden.

Zellen bilden Social Networks

Eine große Herausforderung ist es unter tausenden von Änderungen die wenigen relevanten zu erkennen, die relevant sind für die Tumoraggressivität. Denn diese Faktoren beeinflussen nachhaltig das Überleben des Patienten. In der aktuellen Studie ist dieses Problem durch eine der Suchmaschine Google abgeschauten Strategie gelöst worden: Proteine in einer Zelle gehen häufig Partnerschaften ein, um gemeinsam eine Aufgabe zu erfüllen.

Dieses soziale Netzwerk der Proteine, das 'Protein-Facebook' sozusagen, half entscheidend bei der Biomarkersuche. "Nachdem wir die Netzwerkinformation der Proteine in unsere Analyse aufgenommen hatten, haben sich unsere Ergebnisse deutlich verbessert und konnten reproduziert werden", erläutet Dr. Christof Winter aus der Arbeitsgruppe von Prof. Michael Schroeder am BIOTEC.

Größere Studie soll Ergebnisse untermauern

Eine frühere Studie der University of North Carolina (USA) fand bereits sechs Proteine, welche die Aggressivität von Bauchspeicheldrüsenkrebs anzeigen. Eines dieser Proteine wurde auch in der Dresdner Studie gefunden. Obwohl die neuen Biomarker eine Verbesserung gegenüber aktuell verwendeten Methoden darstellen, ist es noch ein weiter Weg bis zur klinischen Anwendung. In einer größeren Studie muss erst gezeigt werden, wie gut die Marker wirklich die Proteine herausfiltern, die den weiteren Verlauf der Krebserkrankung anzeigen.

"Es wäre ein sehr wichtiger Schritt, aggressive Therapien wie eine Chemotherapie nur bei den Patienten einzusetzen, die mit großer Wahrscheinlichkeit davon profitieren werden. Dabei könnten solche Tests helfen", sagt Prof. Robert Grützmann, Oberarzt in der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des UKD. Derzeit erkranken nach Angaben der Deutschen Krebshilfe in Deutschland jedes Jahr 14.200 Menschen neu an Bauspeicheldrüsenkrebs. Mehr noch als bei manch anderer Krebsart gilt bei Bauchspeicheldrüsenkrebs, dass die Heilungs- und Überlebenschancen umso besser sind, je früher der Tumor erkannt und behandelt wird.

(wat)
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