Risiken nicht hinreichend geklärt Hüftprothesen aus Metall in der Kritik

Düsseldorf · 200.000 Patienten jährlich verlassen einen deutschen OP-Saal mit einem künstlichen Hüftgelenk. Nach Jahrzehnten in der Praxis sorgt eine britische Studie für Aufregung: Mediziner und Behörden debattieren über die langfristige Sicherheit von Metallprothesen, die auch in Deutschland jahrelang verwendet wurden.

Eine jüngst im Fachjournal "Lancet" veröffentlichte Studie zeigt, dass Gelenkprothesen, in denen Metall auf Metall trifft, anfälliger seien und häufiger Korrektureingriffe erfordern als Prothesen aus Keramik oder Kunststoff. Standard bei Metallgelenken ist die Verwendung einer Chrom-Kobalt-Legierung - sowohl für die Kugel als auch für die Pfanne des neuen Gelenks. Die Hersteller haben reagiert: Nach zahlreichen Beschwerden hat der deutsch-schweizerische Hersteller Zimmer sein Modell "Durom Metasul LDH" jetzt zurückgezogen. Bereits vor zwei Jahren hatte die Firma DePuy den Gelenktyp "ASR" vom Markt genommen.

Orthopäden warnen vor Hysterie

Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) warnt vor einer Hysterie: "Metall-Metall-Paarungen werden beim künstlichen Hüftgelenkersatz seit Jahrzehnten und meistens erfolgreich eingesetzt", kommentiert sie. Problematisch seien sehr große Gelenkköpfe mit einem Durchmesser von mehr als 36 Millimetern.

Lutz Glöckner bestätigt das. "Das Problem ist nicht der Werkstoff, sondern die Konstruktion", erklärt der Leiter der Orthopädie und Unfallchirurgie am Christophorus Krankenhaus im münsterländischen Werne. Seit Jahren unterziehen sich dort Patienten aus ganz Deutschland einer Hüftoperation. "Das Problem bei den ,ASR' ist die Unterschreitung der Toleranzgrenzen bei den Spaltmaßen. Der Radius der Pfanne war dort im Vergleich zur Kugel zu klein, so dass es zu Metallabrieb und gar zu Verklemmungen kam." Dieses Problem gebe es beim weltweit am meisten verbreiteten Typ "BHR" des britischen Herstellers Smith and Nephew nicht.

Erfahrungen werden dokumentiert

Nur ein typbedingter Konstruktionsfehler also? Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn wittert dagegen generelle Probleme in der Verwendung des Werkstoffs. "Die Risiken von Metall-Metall-Prothesen sind nicht hinreichend geklärt", erklärt BfArM-Sprecher Maik Pommer die Bedenken. Daher haben die Bonner eine europäische Expertengruppe vorgeschlagen, um die Risiken für Patienten schnell und verlässlich eingrenzen zu können. Dieser Vorschlag wird jetzt von der EU-Kommission geprüft.

Beschlossen ist dagegen die Einführung eines Registers, in dem alle Prothesentypen mit Erfahrungen von Anwendern aufgelistet werden. Das von der DGOOC initiierte Projekt soll unter www.eprd.de Ende 2013 erste Ergebnisse bringen.

Den rund 5500 deutschen Patienten, denen ein ASR-Gelenk eingesetzt wurde, rät die BfArM zur jährlichen Kontrolle mit Röntgenaufnahmen und Blutuntersuchungen. Liegen keine Beschwerden vor, ist eine Revision der Prothese nicht zwangsläufig erforderlich.

(RP/wat/chk)
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