Wie moderne Arbeitswelten Menschen verändern

Dokumentation "Work Hard – Play Hard" von Carmen Losmann

Hell und aufgeräumt sieht diese moderne Konzernarchitektur aus, viel Glas und glatte Flächen, alles durchgeplant für "nonterritoriale Arbeitsplatz-Konzepte". Die Atmosphäre insgesamt soll der "eines Wohnraums" gleichen, wer braucht da noch seinen eigenen Stuhl? Der neue Angestellte ist unendlich flexibel, er gestaltet sein Büro nicht mehr aus mit persönlichen Dingen, er sucht sich immer wieder einen passenden Platz.

Die Forderung der "Piraten"-Partei nach Transparenz ist in dieser schönen neuen Arbeitswelt längst verwirklicht. Alles ist übersichtlich, nichts bleibt im Verborgenen. Könnte man dazu auch sagen: Die totale Überwachung?

In Carmen Losmanns exzellenter Dokumentation "Work Hard – Play Hard" aber wird davon erzählt, dass die Ziele des Arbeitgebers "in die DNA jedes einzelnen Mitarbeiters" eindringen sollen, dass dieser also gar keine Überwachung mehr braucht, weil er sich stets selber "optimieren" will. Stechuhr war gestern! Ebenso fasziniert wie distanziert schaut die Regisseurin zu, wie hier an der großen Selbstanpassung gearbeitet wird, wie sich junge Menschen in Kleidung, Sprache und Benehmen zurechtdressieren und einander immer ähnlicher werden. Und sie lässt euphorische Personalmanager davon reden, dass im Konzern alle "miteinander connected" seien, die "forming phase" beginne, "der change process implementiert" werde, all das natürlich "proaktiv". Wenn das "skill-set" des Angestellten stimme, wenn der "im Flow" sei, heißt es begeistert, gehe er "voll auf in seiner Tätigkeit".

Von außen betrachtet wirkt das oft lächerlich und absurd, aber auch unheimlich. Dieser seltsame Jargon, diese seltsamen Riten: Der Kapitalismus offenbart sich hier als Sekte. Wenn die Mitarbeiter auf Führungs- und Teamfähigkeiten abgeklopft werden, geht es zum Mental- und Physis-Training, auf ein Hochseil oder in dunkle Schächte, alles an Bildschirmen beobachtet und kommentiert von Übungsleitern.

Die Funktionsweise des Hirns wird auch erklärt, vor allem aber wird es so gewaschen, dass es nicht mal mehr den Vergleich der eigenen Existenz mit der von Labormäusen ziehen will. Aber noch läuft nicht alles glatt: "Der Gedanke, sich selber wegzurationalisieren, kann bei dem einen oder anderen Mitarbeiter Nervosität auslösen", konstatiert das Personalmanagement. Da gibt es dann ein letztes Mittel, das aber eher versehentlich bekanntgegeben wird: "Leidensdruck erhöhen!" llll

(RP)
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