Umbenennung von Kunst in Dresden Einzug der Sprachpuristen im Museum

Dresden · Titel wie „Mohr", „Zigeuner" und „Eskimo" mussten weichen: Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben die Bezeichnungen von bislang 143 Werken wegen angeblich diskriminierender Begriffe verändert.

 Das Grüne Gewölbe zählt zu den Prunkstücken der Staatlichen Kunstsammlung Dresden.

Das Grüne Gewölbe zählt zu den Prunkstücken der Staatlichen Kunstsammlung Dresden.

Foto: dpa/Oliver Killig

Neu ist das nicht, was zurzeit in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vor sich geht. Schon vor sechs Jahren hatten sich Mitarbeiter des Amsterdamer Rijksmuseums darangemacht, Titel von Werken aus dem eigenen Bestand zu verändern, weil die ursprünglich verwendeten Begriffe inzwischen als rassistisch oder anderweitig diskriminierend verstanden werden konnten.

Die Hottentotten, Bezeichnung einer südafrikanischen Völkerfamilie, gelten im Niederländischen wie auch bei uns als Schimpfwort und wurden aus Bildtiteln entfernt. Unter einem Gemälde von Jan Mijtens (1614 - 1670) ersetzte „Junge schwarze Bedienstete" als Wandbeschriftung einen Titel, der den heute verschämt als N-Wort verklausulierten Ausdruck ersetzte. Und der Eskimo wurde zum Inuit.

In Dresden zieht man jetzt nach. Unter der Flagge der politischen Korrektheit wird aus dem Zwerg ein Kleinwüchsiger, aus dem „Mohr mit der Smaragdstufe" im Grünen Gewölbe ein „"**** mit der Smaragdstufe". Ein „Afrikanischer Krieger, den Bogen schwingend" wurde zu „Ein Krieger, den Bogen schwingend", und die "Landschaft mit mohammedanischen Pilgern" verkehrte sich in eine „Landschaft mit betenden Muslimen". Ein "Eingeborener mit Maske" schließlich ist jetzt nur noch ein „Mann mit Maske", die „Zigeunerin" eine „Frau mit Kopftuch".

Die Alten Meister können sich gegen derlei Umbenennungen nicht wehren, sie hätten es aber wohl auch nicht getan. Denn die Titel stammten meist nicht von ihnen, sondern Händler gaben den Bildern erst später einen Namen. Vielleicht wären einige Maler und Bildhauer heute sogar ganz glücklich mit den sprachlichen Aktualisierungen ihrer Kunst.

Der Gedanke, der dahintersteht, ist ja nicht abwegig: Wörter, die einst als Bezeichnungen wie viele andere galten, heute dagegen oft diskriminierend verwandt werden, sollten sich im allgemeinen Spachschatz nach Möglichkeit nicht weiter verbreiten. Das N-Wort zählt dazu, „Mohr" dagegen schon weniger. Denn Friedrich Kluges „Etymologischem Wörterbuch der deutschen Sprache" zufolge gelangte es über das Mittelhochdeutsche aus dem Lateinischen zu uns, Maurus bedeutet schlicht „Maure, Nordwestafrikaner". Unter diesen Umständen wirkt die Ersetzung durch vier Sternchen nur noch albern. Oder hat der Sarotti-Mohr das Wort derart verkitscht, dass wir es den damit Bezeichneten heute nicht mehr zumuten dürfen?

Hinter solch kniffligen Einzelfragen steht eine größere, umfassende: Wie viel Geschichtsbewusstsein dürfen wir den Lesern und Kunstbetrachtern noch zumuten? Ein Gemälde mit dem Titel „Zigeunerin" sagt mehr aus als „Frau mit Kopftuch". Es kann eine Verbeugung vor dieser ethnischen Gruppierung sein, ebenso vor ihrem durch die Jahrhunderte schweren Schicksal und zugleich vor ihrem Willen zur Selbstbehauptung und zur Pflege ihrer Kultur. Ähnlich lässt sich „Afrikanischer Krieger, den Bogen schwingend" heute eher als Respektbezeugung vor einem erstarkenden Kontinent deuten, als dass man daraus eine wie auch immer begründete Verunglimpfung liest.

Manch bisheriger Titel bleibt in Dresden als Beigabe der Beschriftung erhalten, dann nämlich, wenn er besonders bekannt und das Bild im Lauf der Jahrhunderte mit ihm verwachsen ist. Zumindest in diesen Fällen erinnern die Museen daran, dass ein Verständnis der Gegenwart ohne Kenntnisse der Vergangenheit nicht gelingt.

Das gilt nicht nur für den Sprachpurismus an Ausstellungsorten. Längst hat die aus dem englischen Sprachraum zu uns gedrungene „Cancel Culture" Medien aller Art erfasst, von den sozialen Medien bis zur „New York Times": Was nicht ins eigene politische Konzept passt, wird als inkorrekt gebrandmarkt oder einfach gelöscht. Bereits Barack Obama warnte vor den Gefahren: „Es gibt Mehrdeutigkeiten." Politische Korrektheit ist nicht immer ein Ausweis von Toleranz, und Moral lässt sich auch zur Zensur missbrauchen. Statt den Dingen auf den Grund zu gehen, drücken immer mehr einfach auf die Löschtaste.

Es wird kein Zufall sein, dass Political Correctness im Museum besonders dort Einzug hält, wo sich viele Touristen einfinden. Man glaubt, Menschen, die mit hiesigen Gepflogenheiten wenig vertraut sind, nicht zu viel aufladen zu dürfen. Doch wo soll die politische Korrektheit enden? Werden die Museen eines Tages nicht nur Schildchen ändern, sondern auch Bilder, indem sie etwa Akte schamhaft bedecken aus Rücksicht auf Menschen, deren Glaube entsprechende Blicke verbietet?

Besser als Löschaktionen wären im Museum Hinweise darauf, in welchem historischen Zusammenhang die Bilder zu verstehen sind und die Titel, unter denen sie berühmt wurden. Wenn Balthasar Permoser einst Mohren modellierte, bildete er damit keine Sklaven ab, sondern Diener von hohem Ansehen.

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