Uraufführung Kasperltheater mit Hotzenplotz

Uraufführung am Jungen Schauspielhaus: eine jüngst publizierte Episode vom Hotzenplotz wird bodenständiges Weltraumabenteuer.

 Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete – mit Eduard Lind als Hotzenplotz, Bernhard Schmidt-Hackenberg als Seppel und Natalie Hanslik als Kasperl.

Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete – mit Eduard Lind als Hotzenplotz, Bernhard Schmidt-Hackenberg als Seppel und Natalie Hanslik als Kasperl.

Foto: David Baltzer

Er ist wieder da. Der Räuber mit dem Schlapphut und der Pfefferpistole. Barfüßig steht er auf der Bühne des Capitoltheaters, wo das Junge Schauspielhaus erneut sein großes Vorweihnachts-Stück zeigt. Hotzenplotz ist aus dem Spritzenhaus entwischt. Wachtmeister Dimpfelmoser hat zwar die Dienstuhr streng im Blick, nicht aber den Riegel seines Knastes. Und so steht der Bösewicht allzu simpel befreit an der Rampe und poltert, zetert, schimpft, dass sich die Barthaare biegen, während Kasperl und Seppel noch ahnungslos bei der Großmutter hocken und von warmer Schwammerlsuppe mit Klößen träumen. Doch daraus wird nichts, der Bösewicht ist zurück im Wald – und damit alles wieder in schönster Unordnung.

Im Nachlass hat die Tochter des Hotzenplotz-Erfinders Otfried Preußler ein fünfseitiges Kasperlspiel entdeckt, in dem der von Kindern heißgeliebte Räuber scheinbar zum Mond fliegt. Dieses Manuskript baute Susanne Preußler-Bitsch zu einer Geschichte aus, die unter dem Titel „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ vor ein paar Monaten als Buch erschienen ist. Der Schriftsteller und Dramaturg John von Düffel hat aus dieser Episode mit viel Sinn für den Preußler-Ton ein Theaterstück gemacht, hat Liedtexte geschrieben und Szenen hinzuerfunden, die in der Schwerelosigkeit des Mondes spielen. Entstanden ist eine muntere Räuberjagd mit kosmischen Elementen, denn als er hört, dass es auf dem Mond Silber gibt, kann Hotzenplotz natürlich nicht widerstehen. Bereitwillig lässt er sich von seinen Verfolgern Kasperl und Seppel ins All schießen, landet in Wahrheit aber nach ziemlich kurzem Flug unsanft in der Nähe des Spritzenhauses. Jetzt beginnt eine große Maskerade. Kasperl und Seppel spielen Mondmenschen, so überzeugend, dass sie selbst fast daran glauben, und führen Hotzenplotz erst hinters Licht und dann zurück ins Spritzenhaus.

Für die Uraufführung behandelt Regisseur Robert Gerloff den Stoff als das, was er ist: als Kasperltheater. Die Darsteller spielen mit großen Gesten, tragen weite Filzkostüme im Look klassischer Handpuppen. Sie necken, verfolgen, überraschen einander, tauchen am Bühnenrand auf, wenn man sie andernorts vermutet, oder hocken plötzlich auf den Wipfeln abstrakter Bäume. Als seien sie alle nur Spielfiguren, die aus einer Kiste gefallen und auf der Bühne zum Leben erwacht sind.

Das Ensemble des Jungen Schauspielhauses lässt sich darauf willig ein. Bernhard Schmidt-Hackenberg ist voll Wonne der dümmliche Seppel, Pirmin Sedlmeir überzeugend der preußische Dimpfelmoser, Maria Perlick ohne falsche Übertreibung die Großmutter und Natalie Hanslick macht aus dem pfiffigen Kasperl schnell die Hauptfigur. Allerdings liegt das auch daran, dass Eduard Lind zwar mit schönem Eifer den grollenden Hotzenplotz gibt, aber kaum andere Facetten von ihm verlangt sind. Dazu gibt es passende Bühnenmusik von einer Kapelle, die anfangs zünftig auf die Bühne marschiert und von dort aus das Geschehen mit Geräuschen, Musiken von Jazz bis Rap und geschmackvollen Songs begleitet. So wird die Räuberjagd zum lebendigen Puppenspiel. Die Inszenierung behauptet keinen Tiefsinn, wo es einfach nur darum geht, Hotzenplotz hinter Gitter zu bringen. Dafür entwickelt sie kräftige, naive Bilder mit überraschenden Details. Für die Eltern gibt es den ein oder anderen Seitenhieb auf Bayern oder die Demos am Hambacher Forst.

Susanne Preußler-Bitsch war bei der Premiere dabei. Die Geschichte von Hotzenplotzs Mondflug sei für sie typisch Preußler, sagte sie am Rande, weil sie so geradlinig und fesselnd erzählt sei. Darum habe sie sich entschieden, das kleine Abenteuer aus der Feder ihres Vaters weiterzuentwickeln und herauszugeben. Sie selbst sei mit Figuren wie dem kleinen Gespenst oder dem bärtigen Räuber aufgewachsen. Wenn in ihrer Kindheit einer etwa mit schmutzigen Schuhen durchs Haus gelaufen sei, habe er sich immer damit entschuldigen können, das sei der Hotzenplotz gewesen.

In die überschaubare Welt des Kasperltheaters, in der ein Räuber zwar böse ist, seine Pistole aber nur mit Pfeffer geladen hat, entführt auch die Uraufführung am Jungen Schauspielhaus. Die harmlose Mondgeschichte hat der Hotzenplotz-Figur nichts hinzuzufügen. Sie ist nur willkommene Gelegenheit, dem arglosesten Verbrecher seit es Schwammerlsuppe gibt, ein weiteres Abenteuer zu gönnen. Das Schauspielhaus macht daraus ein nostalgisches Vergnügen.

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