Kinofilm "Contagion" Soderbergh setzt den Killerkeim frei

(RP). In "Contagion" spielt er mit Schauspielern wie Gwyneth Paltrow, Matt Damon und Kate Winslet durch, was ein Horrorvirus in unserer mobilen Welt anrichten würde. Allerdings geht es ihm nicht um den Kitzel des Katastrophenfilms. Sein Werk bleibt kühl und distanziert.

Ein bisschen Jetlag, Schwindel und Kopfschmerz, ein lästiger Schnupfen vom Klimawechsel zwischen den Kontinenten — das waren mal die mit kokettem Seufzen ertragenen Leiden der Flugreisenden. Sollten die anderen ruhig merken, dass man herumkam. Diese Jetset-Noblesse ist mittlerweile einer misstrauischen Unruhe gewichen. In fremden Ländern kann man sich wieder mit exotischen Krankheiten anstecken, und wer ein paar Stunden nach der Landung herumschnieft, ist vielleicht der Infektionsherd einer neuen Seuche.

Steven Soderberghs Film "Contagion" setzt genau da an, bei einer von Vogelgrippe- und Sars-Alarmen aufgepeitschten Bereitschaft, das Schlimmste nicht nur für möglich, sondern für unausweichlich zu halten. Spätestens der übernächste neue Erreger, glauben viele, wird sich nicht mehr von einem Serum stoppen lassen, sondern als weit ausholender Sensenmann durchs Feld der Menschheit schreiten.

Schneller Filmtod

Gwyneth Paltrow spricht zu Beginn von "Contagion" grau geschminkt und von Fieberschweiß glitzernd in ein Telefon, als Flugreisende, die glaubt, sich nur einen Schnupfen eingefangen zu haben. Wer Hollywoods Regeln kennt, wird das Auftauchen Paltrows mit einem zynischen Lächeln quittieren. Alles scheint nun klar. Die Suche nach einem Heilmittel wird im Takt der Eieruhr verlaufen, innerhalb von Stunden werden Theorien entworfen, erprobt und verworfen, über Nacht Impfstoffe entwickelt, so dass die von Paltrow gespielte Heimkehrerin aus China gerade noch rechtzeitig dem Tode entrissen und ihrem von Matt Damon gespielten Ehemann zurückgegeben werden kann. Doch all diese Erwartungen werfen Soderbergh und der Drehbuchautor Scott Z. Burns, der schon bei "The Informant" mit Soderbergh gearbeitet hat, brüsk über den Haufen.

Unvorhersehbare Erzählung

Gerade ist Paltrows Figur noch geschwächt in die Knie gesunken, schon liegt sie auf dem Seziertisch der Pathologie. Ab diesem Moment, das ist die größte Stärke von "Contagion", ist alles wieder offen. Wir müssen keine Malen-nach-Zahlen-Dramaturgie befürchten, wir können keine sicheren Wetten auf das weitere Schicksal von Figuren eingehen. Wird die von Kate Winslet gespielte Spezialistin, die in Chicago Daten über Infektionswege sammelt und sich bei den Behörden um die Einleitung von Schutzmaßnahmen bemüht, einmal zu früh ihre Schutzmaske abnehmen?

In "Contagion" hat solche Unsicherheit nicht unbedingt zur Folge, dass sich der Zuschauer inniger, sorgender an die Figuren anschließt. Ein kälterer, distanzierterer Blick ist möglich. Nicht einzelne Menschen stehen im Mittelpunkt des Interesses, sondern der Erreger selbst, der winzige Killer, seine Verbreitungsgeschwindigkeit und seine sozialen Folgen.

Innovativer Seuchenfilm

"Contagion" soll für den Seuchenfilm eben das werden, was Soderberghs "Traffic" für den Drogenkrimi war, er soll Strukturen sichtbar machen. Aber "Contagion" kann die Leerstelle, die der Verzicht auf wirklich tragende Charaktere schafft, nicht ganz füllen. Das liegt nicht daran, dass die Folgen einer Seuche keine spannenden Kinobilder liefern würden. Es liegt eher daran, dass Soderbergh und Burns ihr Katastrophenszenario sehr zurückhaltend ausmalen. Es gibt hier Hamsterkäufe, aber die sind nur ein Phänomen der rasch sich leerenden Regale, kein Beginn von Schwarzmarkt und Not. Es kommt zu Plünderungen, aber die scheinen ein Problem vereinzelter Krimineller, kein flächendeckender Bruch des Friedens. Ja, die Städte liegen still da vor der Kamera, aber "Contagion" erwähnt nichts vom ökonomischen Kollaps. Militärkolonnen fahren durch die Straßen, aber es kommt nicht zu bürgerkriegsähnlichen Szenen.

Vielleicht liegt es daran, dass Soderbergh sich bewusst von einer in den letzten Jahren sehr erfolgreichen Sonderform des Seuchenfilms absetzen will, vom Zombie-Endzeit-Spektakel. In Filmen wie "28 Days Later" oder der TV-Serie "The Walking Dead" ist die Unaufhaltsamkeit einer neuen Infektionskrankheit Prämisse, befinden wir uns ruckzuck in einem bestialischen Chaos, in dem es nur noch den Kampf ums nackte Überleben gibt. Von dieser überdrehten Vision wollte Soderbergh zurück zu realeren Bedrohungsszenarien. Er hat dabei vielleicht ein wenig zu optimistisch auf die Grundstabilität der Gesellschaft vertraut.

Bewertung: 3 von 5 Sternen

(RP)
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