Kino-Kritik Brad Pitt als umwerfender Dussel

Düsseldorf (RP). Die Coen-Brüder haben mit "Burn after Reading” eine schwarze Komödie gedreht. Es geht um geheimes Material, mit dem ein ehemaliger CIA-Agent erpresst wird. Der elegant inszenierte Film unterhält mit einer selbstironischen Schauspielerriege, zu der Brad Pitt und George Clooney gehören.

Szenen aus "Burn after Reading"
16 Bilder

Szenen aus "Burn after Reading"

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Zuerst einmal ist "Burn after Reading” dieses: eine Agentenkomödie, gut gemacht und mit einer Eleganz inszeniert, die unaufdringlich ist und pointiert wie in einer dieser rasanten Screwball-Komödien mit Cary Grant und Katharine Hepburn aus den 1950er Jahren. Der Film ist so prominent besetzt wie keine Produktion seit "Ocean's Thirteen”; jeder Schauspieler ist sehr gut aufgelegt, wirkt beinahe überdreht. Und wenn man drin ist in diesem Film, wenn man sich eingerichtet hat in dieser auf Wahnwitz gegründeten Geheimdienst-Welt, dann wird das alles plötzlich größer, weiter, abgründig. Es liegt daran, dass die Brüder Joel und Ethan Coen ihn sich ausgedacht haben.

Die Professoren-Söhne aus Minneapolis belichten seit ihrem Debüt "Blood simple” von 1984 in jedem Werk eine andere, in sich geschlossene Welt: die Kleinstadt in "Fargo” zum Beispiel, die Bowling-Szene in "The Big Lebowski” und nun eben den CIA in Washington D. C. Der Film beginnt mit einem Zoom aus dem Weltraum in das CIA-Gebäude, und das sagt schon viel über das Kommende: So nah geht man ran an das Geschehen, zu nah, man verliert leicht den Überblick.

Ein umwerfender John Malkovich ist da zu sehen. Er allein ist ein Ereignis. Malkovich spielt einen Balkan-Experten mit Alkoholproblem. Dieser Ozzie Cox wird suspendiert, und wie er sich dagegen wehrt, ist ein Erlebnis. Malkovich flucht, grob und wuchtig sind die Schimpfworte. Aber sie flutschen wie Perlen über die Lippen dieses arroganten Mannes mit Fliege, sie glänzen irgendwie. Diese Suada aus der 1,2-Promille-Gosse wirkt musikalisch, man möchte sich hinstellen und dirigieren, und tatsächlich ziehen sich die überreich mit Zischlauten verzierten Schimpftiraden leitmotivisch durch den Film.

Cox lässt sich nichts gefallen, er schreibt seine Memoiren, aus Rache, er hat brisantes Material, meint er. Seine Ehefrau, eine unterkühlte Kinderärztin in Sorge um den familiären Wohlstand, die von Tilda Swinton gespielt wird, kopiert die Texte des Mannes für den Fall der Fälle und verliert sie im Fitness-Studio. Dort finden zwei Angestellte die Daten-CD, Brad Pitt als Dussel und Frances McDormand als einzige normale Person in diesem Panoptikum. Sie erpressen den Autor, um mit dem Erlös Schönheits-OPs zu finanzieren, sie versuchen es, aber sie stellen sich dumm an, so dumm, dass sie die Informationen an die Russen verkaufen wollen, dabei ist der Kalte Krieg längst zu Ende. Spätestens hier merkt man: Die Handlung ist Nebensache.

Nachdem sich "Burn after reading” viel Zeit mit der Vorstellung der verschiedenen Personen genommen hat, geht es rasend schnell. Der Film ist angelegt wie eine Choreografie, wie ein Tanz um ein geheimnisvolles Zentrum. Die Tänzer lernen sich einzeln kennen, beginnen Affären, begehen Morde und kommen schließlich an und treffen aufeinander. Sie werden dort in der Mitte nichts finden, denn das, um das hier soviel Gewese gemacht wird, für das betrogen und gelogen wird, ist völlig wertlos. In diesem Spionagefilm birgt das Ausspionierte keinen Erkenntnisgewinn. Die Coen-Brüder führen ein ganzes Genre ad absurdum.

Man mag kaum glauben, dass "Burn after reading” parallel zum im Februar mit dem Oscar geadelten Endzeit-Wüsten-Drama "No Country for Old Men” gedreht wurde. Es herrschen Heiterkeit und Selbstironie, und Brad Pitt und George Clooney setzen sich die Narrenkappe auf. Der eine ist ein blondierter Dummkopf, der andere ein Ehebrecher mit einer Triebhaftigkeit, die man sonst nur aus dem Tierreich kennt. Die beiden berühmtesten und bestbezahlten Schauspieler der Welt spielen mit ihren Images als sexiest men alive, nehmen die Welt der Bunten Blätter in die Fiktion hinein, das ist spannend, neu. Ebenso verfahren Tilda Swinton und John Malkovich, die als frostige Gattin und als unberechenbarer Agent mit den Vorstellungen von sich spielen, die in der Öffentlichkeit verbreitet sind.

Viele Versatzstücke der zwölf vorangegangenen Coen-Werke erkennt man wieder. Die Ahnungslosigkeit der Menschen, die Macht des Zufalls, unabsehbare Ausbrüche von Brutalität, den Sarkasmus der Sieger und das Staunen der vermeintlich einfachen Menschen. Ein Erlebnis für sich sind dabei die Dialoge, vor allem die der Regierungsbeamten, die einander auf dem Laufenden über das Geschehen halten. Für einen von ihnen haben die Coens David Rasche gewonnen, den Hauptdarsteller der 80er-Jahre-Serie "Sledgehammer”. Auf dessen Frage an den Chef, was man denn nun machen solle, antwortet jener stets: "Erstmal gar nichts.”

Am Ende schleudert die Kamera den Zuschauer zurück in seine eigene Welt. Die ist anders. Geordneter. Aber nicht viel.

(RP)
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