Bayreuth zieht positive Bilanz

BAYREUTH Ein Kreislaufkollaps von Eva Wagner-Pasquier, ein Zerwürfnis der Leitungsgeschwister mit der finanzkräftigen "Gesellschaft der Freunde von Bayreuth" – von diesen Schatten abgesehen, verlief die Premierenwoche der 99. Bayreuther Festspiele erfolgreich. Daran ändert auch das Buh-Gewitter für Katharina Wagners nassforsche Inszenierung der "Meistersinger von Nürnberg" nichts, mit dem die Eröffnungswoche endete.

Die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte Bayreuths und der Rezeption des Werke-Kanons gelingt derzeit Stefan Herheim mit dem "Parsifal" am eindringlichsten, der zugleich die dichteste, ausgeklügeltste und detailreichste Inszenierung dieser Festspiel-Saison liefert. Und das so vielschichtig, dass das Ohr immer wieder von den mehr oder weniger eindeutigen Anspielungen auf mythische und historische Chiffren abgelenkt wird.

Die Skepsis gegenüber Wagners Erlösungsmythos, die sich in den Deutungen der "Meistersinger" und des "Parsifal" niederschlägt, gipfelt in Hans Neuenfels' nagelneuem "Lohengrin", der die Menschen auf der Suche nach Liebe und Vertrauen als Ratten in einem Laufrad der Geschichte sieht, in der eine Erlösung, von was auch immer, nicht vorgesehen ist.

Gegenüber den radikal kritischen Inszenierungen der drei Einzelwerke behauptet sich Tankred Dorsts "Ring" zum letzten Mal in stoischer Bewegungslosigkeit. Die Buh-Salven gegenüber dem mittlerweile 85-jährigen Theatermann zeugen dennoch von einer schlechten Kinderstube. Gesanglich ragten einige neue Stimmen aus dem insgesamt eher durchschnittlichen vokalen Ensemble heraus. Auch wenn Jonas Kaufmann die leisen "Lohengrin"-Töne schon fast manieristisch säuselt, erweist er sich als wesentliche Bereicherung. Glänzend der Einstand von Johan Botha als Siegmund, Edith Haller als Sieglinde und Lance Ryan als Siegfried im "Ring". Am Dirigentenpult ließ neben dem gewohnt souveränen Christian Thielemann im "Ring" der junge Lette Andris Nelsons im "Lohengrin" aufhorchen, der mit den akustischen Bedingungen des Hauses gut zurecht kam.

Spätestens im Jubiläums-Jahr 2013, dem 200. Geburtstag Richard Wagners, werden die Festspiele ausschließlich die Handschrift der Schwestern Eva und Katharina tragen. Im Augenblick müssen sie sich eher mit scheinbar nebensächlichen Akzenten begnügen. Dazu gehört der Ausbau der sehr erfolgreichen Kinderoper. Dazu zählt auch die Gewinnung neuer Sponsoren, mit der man sich mehr Freiheit von den Gesellschaftern der Festspiel GmbH erhofft. Seitdem die "Gesellschaft der Freunde von Bayreuth" als vierter Gesellschafter neben Bund, Land und Stadt agiert, scheint sie ihren Status als Mäzenatenverein zu verlieren und sich so unflexibel zu verhalten wie die öffentlichen Organe. Mit der Gründung des "Teams aktiver Festspielfreunde" soll dem Einhalt geboten werden.

Eher am Rande bemerkt wurde als weitere Neuerung die Berufung des Berliner Historikers Peter Siebenmorgen mit der unabhängigen und schonungslosen Aufarbeitung der Geschichte der Festspiele ohne ideologische Scheuklappen.

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