Unternehmenskrise Windparkriese Prokon droht mit Pleite

Itzehoe/Düsseldorf · Die mehr als 70.000 Anleger sollen vorläufig auf die Rückzahlung ihrer Genussscheine verzichten, sonst komme die Insolvenz, verkündet die Firma. Anlegerschützer sprechen von Erpressung – die Kunden sind in einem Dilemma.

Prokon droht den Käufern seiner Genussscheine mit einer sogenannten "Planinsolvenz", sofern diese nicht erst einmal auf ihr Kapital und auf Zinsen verzichten.

Prokon droht den Käufern seiner Genussscheine mit einer sogenannten "Planinsolvenz", sofern diese nicht erst einmal auf ihr Kapital und auf Zinsen verzichten.

Foto: dpa, Ulrich Perrey

Die mehr als 70.000 Anleger sollen vorläufig auf die Rückzahlung ihrer Genussscheine verzichten, sonst komme die Insolvenz, verkündet die Firma. Anlegerschützer sprechen von Erpressung — die Kunden sind in einem Dilemma.

Woran können Anleger merken, dass ein Unternehmen sich bei der Finanzierung auf dünnem Eis bewegt? Wenn eine tolle Verzinsung von bis zu acht Prozent versprochen wird und gleichzeitig der Eindruck erweckt wird, es gebe praktisch kein Risiko.

Zu viel versprochen hat offensichtlich das Windkraftunternehmen Prokon. Das Unternehmen aus Itzehoe droht den Käufern seiner Genussscheine mit einer sogenannten "Planinsolvenz", sofern diese nicht erst einmal auf ihr Kapital und auf Zinsen verzichten.

In einem im Internet veröffentlichten Brief werden die rund 75 000 Anleger aufgefordert, schriftlich auf eine Kündigung der Genussrechte bis Ende Oktober 2014 zu verzichten, sich die Zinsen nicht auszahlen zu lassen und sie stattdessen in neue Genussrechte anzulegen. Prokon setzt dafür eine Frist bis zum 20. Januar. Eine Insolvenz könne nur dann verhindert werden, wenn Anleger diesem Vorgehen für mindestens 95 Prozent des Genussrechtskapitals zustimmten oder wenn genügend frisches Geld eingehe. Bei einer Insolvenz müsse Prokon "mit dem Rücken zur Wand" womöglich seine Windparks und anderes Vermögen unter Wert verkaufen.

Im Klartext: Dann würden die Anleger erst recht nur wenig von ihren insgesamt eingezahlten 1,4 Milliarden Euro an Genussrechtskapital wiedersehen.

Die Ankündigung von Prokon wurde von Anlegerschützern heftig kritisiert. "Auf die betroffenen Anleger wirken die aktuellen Verlautbarungen schlichtweg wie eine klassische Erpressung", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, der "Bild am Sonntag". Er forderte Prokon-Chef Carsten Rodbertus auf, für Transparenz bei den Zahlen und dem Geschäftsmodell zu sorgen.

Dabei kommt die Unternehmenskrise keineswegs überraschend.

So hatten Verbraucherschützer schon 2012 gerichtlich feststellen lassen, dass Prokon für seine Genussrechte mit unlauteren Methoden warb. Sie hatten auch wiederholt davor gewarnt, dass Prokon bei Zinsen von acht Prozent an sich gezwungen war, immer neue Papiere auszugeben, nur um diese Zinsen zu finanzieren. "Ich denke, dass frisches Geld ständig nötig war", sagte Michael Herte von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Allein aus dem Ertrag der Kraftwerke hätte Prokon die Zinsen nicht finanzieren können.

Logischerweise stellt Prokon die Situation anders da. So gebe es eben nicht nur die 314 realisierten Windenergieanlagen, die einen "Marktwert von 614 Millionen Euro" hätten. Weitere 54 Anlagen seien im Bau und hätten einen "Marktwert von 277 Millionen Euro". Und die Planungsrechte für weitere 2500 Anlagen hätten einen "Marktwert von 350 Millionen Euro". Das mag alles stimmen, doch von "Marktwerten" lassen sich keine Zinsen zahlen — und im operativen Geschäft macht Prokon seit Jahren nur Verluste.

Die große Frage ist nun, wie sich Anleger am besten verhalten. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) geht davon aus, dass die Warnung vor der Insolvenz ein "Windhundrennen" auslöst und viele weitere Anleger erst recht ihre Genussrechte kündigen werden — dann sind Insolvenz und Zerschlagung sowieso unvermeidlich.

Jetzt zeigt sich die Schwäche von Prokon: Die Genussscheine lassen sich schnell kündigen, doch die Projekte laufen über Jahrzehnte. Sofern also nicht sehr, sehr viele Anleger die Nerven behalten, ist eine Insolvenz fast unvermeidbar.

(RP)
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