London/Düsseldorf Vodafone kassiert 130 Milliarden Dollar

London/Düsseldorf · Der drittgrößte Unternehmensverkauf der Wirtschaftsgeschichte wurde gestern verkündet. Die Briten geben ihren Minderheitsanteil am größten US-Mobilfunker ab. In Europa wird Vodafone nun wohl noch aggressiver expandieren.

Erneut schreibt der britische Mobilfunker Vodafone Wirtschaftsgeschichte: Nachdem der Konzern vor 14 Jahren für 202 Milliarden Dollar die deutsche Mannesmann AG übernahm, um sich dessen Mobilfunkgeschäft einzuverleiben, folgt nun der Verkauf von 45 Prozent des amerikanischen Mobilfunkers Verizon Wireless. Dafür gibt es insgesamt 130 Milliarden Dollar, umgerechnet 98 Milliarden Euro – noch nie hat ein Unternehmen für den Verkauf eines Minderheitsanteils an einem Unternehmen soviel Geld bekommen.

Die Aktionäre können sich die Hände reiben – der Wert von Vodafone an der Börse stieg seit Donnerstag um mehr als 15 Milliarden Euro an, nachdem Vodafone bestätigte, dass der lukrative US-Ausstieg kommen könnte.

Die große Frage ist nun, was Vodafone-Vorstandschef Vittorio Colao mit dem Geldsegen anfängt. Zunächst einmal gibt es mächtig Bargeld: Vodafone will vom eingenommenen Geld mehr als 60 Milliarden Euro an die Aktionäre ausschütten.

Klar ist für Deutschland, dass die Übernahme von Kabel-Deutschland (KD) für knapp elf Milliarden Euro ohne jeden Zweifel durchgezogen wird. Selbst größere Auflagen der Kartellbehörden würden Vodafone-Deutschland-Statthalter Jens Schulte-Bockum nun nicht mehr bremsen – denn Vodafone will im wichtigsten Markt Europas unbedingt ein integrierter Mobilfunk- und Festnetzkonzern werden. Und dafür braucht er KD mit seinen rund acht Millionen Kunden und der Möglichkeit, extrem schnelle Online-Anschlüsse zu schalten.

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Vodafone mit KD alleine in Deutschland nicht zufrieden ist: Branchenkenner spekulieren, dass die Briten für rund 25 Milliarden Euro die Kabel-TV-Gruppe Liberty Global des US-Milliardärs John Malone schlucken könnten. Als Hauptergebnis würde dessen Kölner Ableger Unitymedia mit sieben Millionen Kunden auch noch ins Portfolio von Vodafone-Deutschland kommen – dann könnte man mehr als 15 Millionen deutsche Haushalte mit Online-Anschlüssen über TV-Kabel anschließen. Bestätigen will Vodafone solche Pläne nicht, doch ein Dementi gibt es auch nicht: "Wir schauen nicht in die Kristallkugel", antworten Colao und Schulte-Bockum ausweichend, wenn sie auf Unitymedia angesprochen werden.

Gleichzeitig ist absehbar, dass Vodafone in einer Reihe anderer Länder Europas auf Zukäufe im Festnetz setzt. Nur so können die Briten Kombipakete aus Mobilfunk, Internet und TV anbieten. Und nur so können sie sich die Durchleitungskosten der traditionellen Telelefonfirmen ersparen.

Doch so reizvoll der neue Geldsegen und die neuen Expansionschancen sind: Vodafone steht nach dem Ausstieg bei Verizon Wireless auch geschwächt da: Eine Dividende des gewinnstarken jahrelangen US-Ablegers wird es nie mehr geben. Da Vodafone in einer Reihe wichtiger Märkte wie Italien, Frankreich oder Spanien auch im Zusammenhang mit der Euro-Krise schwächelt, erwartet niemand deutlich steigende Gewinne. Und auch der Zukauf der neuen Festnetzableger wie KD ist eher Flucht nach vorne als sichere Gewinnmaschine: Auch im Festnetz sinken die Preise.

Hinzu kommt, dass Vodafone durch den US-Ausstieg selbst zum Übernahmeziel wird. Amerikas größter Telefonkonzern AT&T signalisierte am Freitag, an einem Zukauf von Europas größtem Mobilfunker "interessiert" zu sein. Colao versucht, sich zu schützen. Ein Schachzug: Vodafone erhält fast die Hälfte des Kaufpreises in Aktien von Verizon. Damit werden die Briten Hauptaktionär bei Amerikas zweitgrößtem Telefonkonzern hinter AT&T. "An sich kann AT&T nicht mehr Vodafone kaufen", sagt der Marktexperte Frank Rothauge, "weil AT&T dann Hauptaktionär seines wichtigsten Wettbewerbers würde." Aber einen dauerhaften Schutz hat Vodafone nicht, so Rothauge: "AT&T könnte zuschlagen und dann die Verizon-Papiere gemäß Auflagen der Behörden abgeben."

Die andere Schutzstrategie lautet, schnell ins Festnetz zu expandieren. Denn davon hält AT&T nichts.

(RP)
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