Ministerpräsidentin bei Opel-Belegschaft Kraft fordert Offensive für Bochum

Bochum · NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat eine Offensive für das Bochumer Opel-Werk gefordert. Das Unternehmen, das zum US-Autoriesen General Motors (GM) gehört, dürfe nicht in der Defensive verharren, sondern müsse die Vorteile des Standortes deutlich machen, forderte sie vor einer Belegschaftsversammlung am Montag.

Mai 2012: Hannelore Kraft besucht Opel Bochum
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GM plant umfangreiche Sparmaßnahmen bei dem verlustreichen deutschen Autobauer. "Bochum verfügt über hochmotivierte, hochqualifizierte Mitarbeiter und ein hervorragendes Netzwerk (...) Es geht darum, zu sehen, wo sind neue Perspektiven. Letztlich sind wir auch eine der Regionen, in der sehr viele Opel verkauft werden", betonte Kraft.

Stracke: Es gibt keine Entscheidung über 2014 hinaus

Derweil lässt Unternehmenschef Karl-Friedrich Stracke die verunsicherte Belegschaft im Ungewissen über die Zukunft des Werks in Bochum. "Es gibt keine Entscheidung zu Bochum nach 2014", sagte Stracke auf einer Betriebsversammlung am Montag. Die Beschäftigten reagierten mit Wut und Pfeifkonzerten.

Der Manager vertröstete die erbosten Mitarbeiter auf den 28. Juni. Dann werde er dem Aufsichtsrat ein Konzept zur Opel-Sanierung vorlegen, einschließlich der Pläne für den Standort Bochum. Der Hersteller fährt seit Jahren Verluste ein. Der schwache europäische Markt drückt den Absatz. Deshalb sollen die Kosten gesenkt und Überkapazitäten abgebaut werden. Betriebsrat und IG Metall wollen einen Kahlschlag allerdings verhindern.

Ungemach droht Stracke derzeit auch aus Rüsselsheim: Es gebe Indizien, dass sich die britische Regierung den Zuschlag für die Astra-Fertigung in Ellesmere Port möglicherweise mit unerlaubten Subventionszusagen erkauft habe, sagte Opel-Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug der dpa in Frankfurt. "Diese würden gegen das EU-Beihilferecht verstoßen, da sie nach ernstzunehmenden Hinweisen an die Produktentscheidung für Ellesmere Port gekoppelt sind." Opel wies die Vorwürfe zurück, erinnerte aber an "eine Reihe von bestehenden Mechanismen in Großbritannien zur Unterstützung der Industrie".

Kostenvorteile in der Produktion können nach Überzeugung des Betriebsratschefs jedenfalls nicht der Grund für die Entscheidung für Ellesmere Port gewesen sein: "Fakt ist, dass das modernste Werk im Opel/Vauxhall-Verbund - nämlich Rüsselsheim - circa 219 Euro pro Fahrzeug günstiger produziert als Ellesmere Port, und dass die Qualität im Vergleich hervorragend ist." Weil die nächste Generation des Massenmodells Astra nicht mehr in Rüsselsheim, sondern nur noch im polnischen Gleiwitz und in Ellesmere Port vom Band rollt, befürchten Arbeitnehmervertreter, dass die Fertigung des Familienvans Zafira in Bochum von 2015 an auf die freigewordenen Kapazitäten in Rüsselsheim verlagert wird. Damit würde Bochum das Aus drohen. Der Bochumer Betriebsrat verlangt daher eine Zusage, dass der bisher im Ruhrgebiet gefertigte Zafira für die gesamte Laufzeit des Modells im Werk bleibt. Stracke wies Gerüchte um eine Verlagerung auf der Versammlung zurück: "Ich habe zu keinem Zeitpunkt den Zafira von Bochum in Rüsselsheim angeboten."

Lob für Bochum

Er lobte ausdrücklich den Qualitätsstandard des Bochumer Werks mit knapp 3300 Beschäftigten. Andererseits müsse das Unternehmen die Kosten in den Griff bekommen und schnell in die schwarzen Zahlen kommen. Bis Ende 2014 sind die deutschen Standorte seit der jüngsten Sanierung, der mehr als 8000 Jobs und ein Werk zum Opfer fielen, aber vertraglich gesichert - im Gegenzug verzichten die Mitarbeiter europaweit auf 265 Millionen Euro jährlich.

Der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel kündigte an, ohne klare Perspektive für das Werk den für 2010 bis 2014 vereinbarten zeitweisen Lohnverzicht etwa beim Weihnachtsgeld nicht mehr mitzutragen. Für das Bochumer Werk seien das gut 20 Millionen Euro jährlich. "Wir sind nicht bereit zu Einsparungen, wenn mit unserem Geld im Ausland Werke gebaut oder Managerboni bezahlt werden."

Einenkel kritisierte das Management scharf. Die Entscheidung, die Produktion des Kompaktwagens Astra ins Ausland zu verlagern, sei verhängnisvoll. "Das werden Sie bei den Verkaufszahlen in Deutschland merken", sagte er zu Stracke. Bochum habe nach den offiziellen Werkszahlen den höchsten Qualitätsstandard und derzeit auch die beste Produktivität im Verbund. Trotzdem werde der Standort schlecht geredet. "Das ist schmutzig", sagte Einenkel.

Auch die Belegschaft machte ihrem Ärger Luft. Der langjährige Opel-Beschäftigte Reinhard Ostermann (59) sagte: "Ich bin stinksauer. Das ist dieselbe Hängepartie wie seit zehn Jahren." Bochum werde ständig gegen andere Werke ausgespielt. "Die hundertste Beschwichtigung ist eine zu viel", sagte Gabi Gärtner, Ehefrau und Schwester von Opel-Beschäftigten: "Das ist eine Atmosphäre, an der man kaputt geht."

(dpa)
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